Über ein halbes Jahr ist bereits vergangen, seit wir LA BELLE EPOQUE am Steg verzurrt haben und ins Auto eingestiegen sind. Seit wir die Seestiefel gegen Arbeitsschuhe getauscht haben und weit entfernt von jeglichem Tropfen Meerwasser daran arbeiten, das Land erneut achteraus lassen zu können.
Eine Zeit, die für uns gleichermaßen von Umstellung und Fremdheit wie auch von Alltäglichkeit und Vertrautheit geprägt ist. Eine Zeit, die im Eiltempo durchzieht und uns kaum noch kräftig Durchatmen lässt. Wir fühlen uns fast, als wären wir auf einer Autobahn des Lebens unterwegs auf der es keine Raststationen zu finden gibt. Und genau auf dieser Autobahn wollen wir im Moment auch sein: Und so drücken wir fest aufs Gaspedal und preschen dem Morgen entgegen.
Wie in alter Gewohnheit haben wir unsere Ziele hochgesteckt und arbeiten daran, diese so bald als möglich zu erreichen. Wir bauen aus, renovieren und reißen um. Wir jagen dahin, geht nicht, gibt´s nicht und alles muss aus eigener Leistung entstehen.
Unser Segelalltag ist ein wenig in den Hintergrund gerutscht und dennoch im vollen Blickfeld. Alles dreht sich darum, den kommenden Sommer wieder aufzubrechen und neue Ziele anzulaufen. Nichtsdestotrotz reden wir nur noch selten über Boote und dem Meer. Und so klar unsere Vorstellungen und Ziele an Land sind, so schemenhaft sind unsere kommenden Reiserouten und Pläne. Ideen gibt es unzählige, alle Möglichkeiten sind offen.
Nicht unüberlegt haben wir La Belle Epoque direkt am Nordatlantik eingewintert. Ein Ozean, der einige der spannendsten Küsten berührt und für uns immer das Tor zur Welt darstellen wird. Ein kleines Meer, das große Geschichte miterlebt hat. Das Entdecker und Abenteurer auf ihren Weg gebracht hat. Ein Ozean, der trotz seiner kultivieren Küsten niemals seine Wildheit verloren hat. Eine Wasserwelt mit einer spannenden Richtungsweisung im Namen: Nord!

Es ist schön, noch so viele Ziele im Hohen Norden vor uns zu haben: Spitzbergen. Jan Mayen. Ostgrönland. Labrador. Neufundland. Baffininsel. Der Norden von Island. Und Grönland, Grönland, Grönland.
Doch den kommenden Sommer wären diese Ziele etwas zu hoch gesteckt. Nach einem intensiven Jahr in Österreich werden wir weder die Zeit, die Muse noch das Geld dazu haben, die nächste ausgedehnte Reise in den Hohen Norden zu starten. Wir sind zu alte Hasen, um den großen Fehler des hektischen Aufbruchs zur herausfordernden Reise zu begehen. Wir wissen, dass wir uns besser nicht auf das stürmische Meer einlassen, bevor wir mit unseren Köpfen vor Ort sind, unseren Stress abgelegt haben und im vollen Bewusstsein reisen können. Bevor wir erneut die Geschwindigkeit der Natur verstanden haben. Auch will La Belle Epoque vorab noch etwas Pflege.
Und wozu auch in den Norden stressen. Bis in den Norden gibt es nicht minder viel zu entdecken. Die Küsten Europas sind für uns immer noch Neuland und viele davon liegen direkt am Weg in den Norden: Großbritannien und Irland zum Beispiel, dessen Außenküsten die raue Schönheit des Atlantiks ehren. Holland – Heimat der besten Hochseeyachten und Metallwerften. Oder Frankreich, ein Reich der Gezeiten und der liebenswerten Segelenthusiasten.
Lauter und lauter werden die Gedanken, den kommenden Sommer den Weg entlang Europas Küsten zu starten. La Belle Epoque ein kleines Stück weiter in den Norden zu bringen und für einen Winter zurück nach Deutschland zu kehren. Ein letztes Stück der Reise rund um Amerika zu bestreiten und in jenes Seerevier zurückzukehren, in dem alles angefangen hat: die Ostsee. Ein Revier, das für uns immer eines der schönsten der Welt bleibt und irgendwann zu unserem Heimatrevier werden sollte. Sofern wir uns jemals wieder an kleine Reviere gewöhnen sollten.

Aber noch geht es uns nicht um die Ostsee selbst oder einen fixen Heimathafen für unsere treue Stahlyacht, auch wenn sich zumindest während unserer Zeit in Europa die eine oder andere winterliche Segelpause ergeben wird. Noch ist der Weg das Ziel. Und noch locken die unterschiedlichsten Reiserouten. So auch eine Idee, die uns gleichermaßen wie ein logischer Weg als auch eine Überraschung an uns selbst erscheint. Ein Intermezzo vor unseren Aufbruch in den Hohen Norden. Die Route durch Westeuropa in den Balkan. Einen Umweg in den Südosten und zurück, bevor wir weiter in den Norden ziehen.
Immer wieder denken wir an die Reise zurück, als wir unsere La Belle Epoque durch die Flüsse und Kanäle zum Meer brachten. Eine Reise, die eigentlich nur als Überstellungsfahrt gedacht war und doch zum faszinierenden Erlebnis einer ganz anderen Art wurde. Wieso also nicht ein abwechslungsreiches Zwischenspiel einlegen und endlich die Donau in ihrer vollen Länge kennenlernen? Wieso nicht von der Ostsee oder auch der Nordsee aus abbiegen, den Mast auf Deck verzurren und das Salzwasser gegen Flusswasser tauschen. Eine Reise quer durch Europa zu erleben und die wenig besuchten Gebiete des Schwarzen Meers kennenzulernen. Wir könnten den Osten Europas ein klein wenig kennenlernen und unsere Freunde aus der Antarktisstation Vernadsky in ihrer ukraiinischen Heimat besuchen. Wir könnten auf den Wellen der Geschichte durch den Bosporus reiten und ein kleines Gläschen Uso in Griechenland genießen. Wir könnten uns durch eine der dichtest befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt mogeln und schließlich erneut das kalte Wasser des Nordatlantiks pflügen. Wir könnten zurück an die deutsche Ostsee für einen weiteren Winterschlaf sein, bevor jemand überhaupt bemerkt hat, dass wir schon wieder weg waren.
Wie luxuriös es doch ist, noch keine ausgereiften Pläne zu kennen und keine ausgetretenen Pfade zu folgen. Wie reizvoll ist es, zu träumen und den Finger auf der Landkarte kreisen zu lassen.
So werden auch die kommenden Monate so schnell verfliegen wie das letzte halbe Jahr und bald werden wir erneut auf Deck von LA BELLE EPOQUE stehen, sie rüber in die Werft steuern und für ihren Reisestart 2019 rüsten.