Back to reality – Juli 2019

Back to reality – Juli 2019

Juli 23, 2019 0 Von claudia und jürgen

Übermüdet und etwas abgeschlagen falle ich unseren Freund Erich um den Hals. Endlich kann ich diese verhasste Welt der Flughäfen und Verkehrsmaschinen hinter mir lassen – diese schrecklichste Art zu Reisen. Zwei Tage waren wir unterwegs, in einer Welt mit stickiger Klimaanlagenluft, grauen Betonwänden soweit das Auge reicht, überteuertes Junkfood, unfreundlichen Billigfluglinien und deren noch unfreundlicheren und Hilfe verweigernden Bodenpersonal. In Flugzeugen, in denen man angeschnauzt wird, wenn man es wagt, aus dem Fenster zu blicken und die Welt über den Wolken zu betrachten. Auf Zwischenflughäfen, in denen man die Nacht nur am schmutzigen Fußboden verbringen kann, da sie in fieser Absicht so geplant wurden, dass alle Sitzplätze unglaublich unbequem und obendrein mit Armlehnen versehen sind, damit sich ja kein Reisender, der sich die Nacht hier um die Ohren schlagen muss, ausstrecken kann. (Als würde jemanden ein Stein aus der Krone fallen, wenn ein paar Liegeflächen neben den Sitzflächen angebracht wären. Aber nein, das ist ja nur den Business-Fliegern in ihren Lounges vorbehalten, als würden die Flüge buchen, die 10 Stunden Aufenthalt auf irgend einen gottverdammten Zwischenflughafen beinhalten!) Eine Reiseart, in der man ständig unterwegs ist, und nichts anderes davon mitbekommt als den kompletten Stillstand beim endlosen Warten. Nein, das nächste mal muss die Reise zwischen Boot und Winterquartier wieder auf dem Boden möglich sein!

Aber gut, das mit dem Fliegen ist ja jetzt geschafft, die schweren Taschen voll Bootsteile sind eingesammelt und Erichs fröhliche Laune holt uns endgültig zurück ins schöne Galizien. Nach einer weiteren Stunde im Auto stehen wir vor unserer treuen La Belle Epoque, die ihre Liegezeit im Hafen von A Pobra do Caraminal dank Erich und Erika erstklassig überstanden hat. Sie wurde ja auch gut umsorgt: Regelmäßig durchgelüftet und gestartet, die Leinen kontrolliert und die Fender in Ordnung gebracht. Am Salontisch duftet eine Schale mit frischen Orangen und Zitronen. Das leichte Säuseln des Winds im Rigg mischt sich mit den gerade noch hörbaren fröhlichen Stimmen aus der Hafenbar und dem Gelächter einiger spielender Kinder am Strand. Wir verstauen hastig unsere sieben Sachen, schießen die Schuhe in die Ecke und suchen uns bald schon ein gemütliches Tischchen unterm Sonnenschirm vor der Hafenbar. Nun sind wir wirklich in Galizien angekommen!

Wir putzen und pflegen La Belle Epoque, streifen durch die Gassen von A Pobra do Caraminal. Die feinsten Köstlichkeiten aus dem Ozean (zu angenehm billigen Galizienpreisen) decken unseren Mittagstisch – Muscheln, Krake, Fisch. Wieder einmal merke ich, wie sehr ich frische Fische und Meeresfrüchte in Österreich vermisse! In der „Casa Susu“ fühlen wir uns mehr als willkommen und freuen uns über das milde Wetter, das gegen die momentane Hitzewelle in Österreich nur als angenehm sommerlich beschrieben werden kann. Ein Wetter, das mit seinen 25 Grad zu langen Wanderungen lockt. Und mit Erika und Erich haben wir dafür genau die richtigen Sportler bei der Hand. Nach der großen Mittagshitze verlassen wir ihre Casa Susu und wandern entlang des Baches durch die Wälder hinterm Haus. Bald wird der Weg steiler und der Wald lichtet sich. Wir wandern durch eine Buschlandschaft hoch über dem Ria Arosa – einem Fjord, der an lieblicher Schönheit seines Gleichen sucht.

Der Busch um uns ist nicht unbewohnt, er bietet den Wildpferden von Galizien ihre wilde Heimat. Und bald schon kreuzen wir die Wege mit wilden Stuten und ihren scheuen Fohlen. Vorbei an den großen Windgeneratoren gehts zurück zum Bachufer, wo Erich Sandwichtes aus frischem Weißbrot mit Chorizo und Käse auspackt und aufteilt. Zur Nachspeise gibts natürlich frischgepflügte Orangen.

Wir folgen den Bachlauf und schlagen so den Weg zurück in Richtung Tal ein. Bald erreichen wir sprudelnde Wasserfälle, an deren Sole sich Pools aus klarem Wasser geformt haben. Glitzernd spiegelt sich das Sonnenlicht im blauen und grünen Wasser, in dem wir bald schon liegen. Von unserem Liegeplatz auf den runden Granitfelsen am Ufer lässt sich der ganze Ria Arosa überblicken. Weit unter uns zieht ein Frachter langsam seinen Weg zurück in den Nordatlantik. Leichter Dunst verwischt den Horizont im Westen in die Unendlichkeit. Die Muschelbänke im Ria sind von hier aus nur noch kleine, dunkle Flecken am Wasser, zwischen denen ein paar weiße Segel durchziehen. Die schöne Insel Arosa strahlt verlockend im Sonnenlicht. Auch sie wollen wir noch einmal besuchen, bevor wir Galizien in unserem Kielwasser lassen.

Abends grillen wir Sardinen und schmieden Pläne. Erika und Erich erwarten Kurzbesuch aus Wien. Christiana ist selbst Seglerin und schon ist ein Tag Segelspaß im Ria und eine Wanderung über die Insel Ons beschlossen. Als Wegzoll überreicht uns Christiana grinsend eine Großpackung Mannerwafferl und Mozartkugeln. Unter vollen Segeln ziehen wir aus dem Ria, doch während wir der Insel Ons immer näher kommen, verschwindet sie langsam aus unserer Sicht. Zu dumm, am Atlantik ist Nebel aufgezogen. Aber wer will schon im Nebel über eine Insel wandern? Schon drehen wir den Bug zurück in den Ria. Die Insel Arosa strahlt immer noch im Sonnenlicht und unser neues Ziel ist damit leicht beschlossen. Wir haben Glück, der Nebel bleibt den restlichen Tag vor der Küste und unser Nachmittag auf der kleinen Insel im Ria wird zum vollen Erfolg.

Nach einem letzten gemeinsamen Tunfischessen fliegen wir uns noch einmal in die Arme und versprechen uns, uns bald wider zu sehen. Dann lösen wir die Trossen. Erst spät am Abend färbt sich der Himmel blutig rot, die Sonne verschwindet hinter dem Horizont und das Leuchtfeuer vom berüchtigten Kap Finisterre erhellt die Dämmerung. Eine Armada an Fischkuttern zieht aus dem Hafen von Finisterre und kreuzt unseren Kurs. Während ihr Licht am Horizont verschwindet bleiben wir dennoch in Gesellschaft: Wir sind nicht die einzigen Segler, die das ruhige Wetter zu einer Umrundung der westlichen Landspitze von Spanien nützen. Die ganze Nacht bleiben wir in Begleitung von Navigationslichtern.

Am folgenden Morgen ziehen wir an einem der ältesten Leuchttürme Europas vorüber: Der imposante „Torre de Hercules“ wurde von den alten Römern an der Küste des heutigen La Coruña errichtet, um über Jahrhunderte die Schifffahrt vor den Klippen zu warnen. Wir wollen in keinen Hafen liegen, auch wenn uns die alten Gemäuer von La Coruña interessiert. Wir lassen die Stadt rechts liegen und biegen in einen Ankerplatz am anderen Ende der Bucht. Ein Versuch, doch noch mit dem Bus in die Stadt zu fahren scheitert und so geben wir uns mit einem Spaziergang über die Hügel von Mera zufrieden. Macht nichts, wir kommen ohnehin nochmal nach Galizien, versprechen wir uns feierlich. Den Abend verbringen wir an Bord der deutschen Segelyacht Alura, die wir bereits in A Pobra kennen gelernt haben. Gabi und Horst sind bereits mit ihrer zweiten Fahrtenyacht unterwegs und gerade am Heimweg nach einigen Wochen Segelurlaub. Ihre stählerne Alura ist mehr als gepflegt und top ausgestattet für lange Reisen. Sie wird die beiden sympathischen Deutschen hoffentlich noch auf ausgedehnte Entdeckungsfahrten führen.

Ria Cedeira wird zu unserem letzten Ankerplatz in Spanien. Die Bucht ist groß aber gut geschützt und bietet einen optimalen Absprung für die Fahrt über die Biskaya. Die Stadt scheint vom Ankerplatz aus nicht besonders viel herzugeben. Beim Landgang sollten wir allerdings eines besseren belehrt werden: gegen den ersten Eindruck per Gucker vom Boot aus entpupt sich die Stadt als gepflegte und hübsche alte Hafenstadt im Art Deko Stil der zwanziger Jahre mit dem Flair einer alten Kurstadt. Wir wandern über die ausgedehnten Sandstrände rund um die Ankerbucht und sind ein bisschen enttäuscht, keinen funktionierenden Außenborder an Bord zu haben, um den seichten Fluss hoch zu fahren und das Inland entdecken zu können.

Aber von unseren ursprünglich drei Außenbordern an Bord haben wir den kleinen bereits in Neuseeland an Segelfreunde verschenkt, den alten Tohatsu haben wir letzten Sommer für eine ausgedehnte Überholung nach Österreich mitgenommen und unser treuer Yamaha hat uns offensichtlich das Jahr in Einsamkeit übel genommen. Er steckt. Dafür kann der eigentlich zuverlässige Motor nichts, haben wir ihn doch in einem Windsturm in Patagonien einmal am Dingi vergessen. Der Wind hat das Dingi in die Höhe gerissen und mitsamt seinen Außenborder umgedreht zurück ins Wasser geschleudert – eine Aktion, die uns der treue Motor doch recht übel genommen hat. Kein Wunder, dass er nun, nach einem Jahr in Stillstand, endgültig den Dienst verweigert und nach einer Generalüberholung schreit. Fehlen wird uns der Außenborder aber die kommenden Wochen laufend, segeln wir doch von hier aus weiter in einige der stärksten Tidenreviere Europas. In Reviere, deren Ankerplätze fast ewig weit weg vom Ufer liegen und wo viele hübsche Inselchen und Uferregionen nur per Dingi mit Außenborder erreicht werden können.

Schließlich gibt der Wetterbericht grünes Licht. Die Aussichten sind zwar nicht perfekt, aber wann gibts schon perfektes Segelwetter? Wir kaufen noch schnell einen Sack Äpfel, trinken einen Abschiedskaffee an Bord der holländischen Eva Kristiana und heben unseren Anker aus dem Sand. Biskaya, wir kommen!

Spaziergang über die Insel Arosa

Muschelfischer in Galicien

Am Ria Arosa

… ein Ria, der für uns sicherlich immer einer der schönsten bleiben wird.

 

Muschelbänke…

… in Abendstimmung

An der richtigen Adresse: an der Straße zum Meer!

Segeln im Licht der untergehenden Sonne Spaniens

Wanderung mit Aussicht über La Coruña

Den Atlantik vor Augen. Von hier aus gehts über die Biskaya!