Der blühende Rand Europas

Der blühende Rand Europas

Juni 20, 2018 0 Von claudia und jürgen

Wir runden den äußeren Wellenbrecher des Hafens, ziehen nahe an einem ankernden Katamaran mit spanischer Flagge vorbei. Lassen den Anker zwischen ihm und der Hafenmole des kleinen Yachthafens ausrauschen. Setzen uns auf Vordeck und bewundern die grünen Hänge von Flores, der Blumeninsel. Angekommen auf den Azoren.

Muss eine europäische Yacht eigentlich in Europa einklarieren, gibt es auch hier Papierkrieg, dem wir uns stellen sollten? Wir vermuten, dass zumindest der Zoll uns sehen will, und suchen nach dem zuständigen Büro. Portugiesisch wir zur ersten Hürde, aber die Leute versuchen, einfache Wegbeschreibungen zu geben. Im Dorf ist es ruhig, wir treffen nur auf wenige Menschen, ein paar Straßenarbeiter kümmern sich um die Blumen am Kreisverkehr. Hübsch ist das kleine Nest aus weißgetünchten Häusern mit roten Ziegeldächern, vor Weinlauben und Gemüsegärten.

Man lebt einfach hier, produziert sein Gemüse selbst. In manchen Gärten entdecken wir ein paar Hühner oder Ziegen, bunte Wäsche hängt zum Trocknen in der Sonne, nur wenige Autos sind unterwegs. Viele Häuser sind aufgegeben, wildes Gestrüpp überwuchert langsam die Ruinen. Trotzdem fehlt es an nichts. Der Supermarkt ist gefüllt mit Köstlichkeiten, das Café ist gut besucht, der kleine Yachthafen hinter der Mole ist modern und sauber.

Um ein wenig mehr von der Insel Flores zu sehen, heben wir schon bald den Anker aus dem Grund und ziehen ein Stück weiter. Die Segel packen wir fast umsonst aus, eine Strömung steht gegen uns und bremst die geringe Fahrt, welche die leichte Brise uns verschafft. Es sind nur sechs Seemeilen bis zum einzigen möglichen Ankerplatz entlang der Insel. Wie erwartet liegt der Ankerplatz einsam und verlassen. Über tausend Yachten stoppen jährlich auf den Azoren, doch nur wenige besuchen mehr als einen einzigen Hafen. Die Azoren gelten als Raststation auf den Weg nach Europa, das sie selbst ein wunderbares Revier bieten interessiert nur wenige Atlantiksegler und so bleiben die Ankerplätze leer. Uns kann es recht sein, die Ruhe des einsamen Ankerplatzes von Sou Pedro ist ein Erlebnis für sich. La Belle Epoque wiegt sich langsam in der leichten Dünung, das zwölf Meter tiefe Wasser ist so klar, dass jeder Stein unter ihrem Kiel deutlich zu sehen ist. Ein paar helle Schotterstrände zieren das Ufer zwischen den warmen Felsen, sattes Grün wuchert über die Klippen. Ein stahlblauer Himmel streckt sich über das glitzernde Meer, nur über der kleinen Insel Corvo hält sich eine weiße Kappe aus Wolken. Während Jürgen unterm Boot taucht und Entenmuscheln von Propeller und Rumpf kratzt, schnorchle ich und lasse mich anschließend von der Sonne im Cockpit aufwärmen. Eigentlich ist es fast unglaublich, dass sich weder Touristen noch Yachties hier her verirren, um etwas auszuspannen.

Wir rudern zum kleinen Bootsanleger zwischen den Felsen, wo ein Angler mit einer Frau tratscht. Gemeinsam beobachten sie uns beim Anlanden, dann kommt die Frau zu uns. Heidi ist eine Deutsche, die es auf die Azoren verschlagen hat. Wir ankern praktisch vor ihrem Grundstück. Freudig zeigt sie uns ihren Garten, der sich in alten Terrassen angelegt hoch über die Bucht streckt und füllt Taschen mit Zitronen, Gemüse und Kräuter für uns. Wir verstehen uns auf Anhieb und beschließen, gemeinsam ein Auto zu mieten und die Kraterseen wie auch die Westküste der kleinen Blumeninsel zu besuchen.

Tage später erreichen wir den bekanntesten Hafen der Azoren: Horta. Es ist Hauptsaison, der Hafen ist gefüllt mit Yachten. Es herrscht ein Kommen und Gehen, Karibiksegler, Megayachten, Charterschiffe und Fahrtensegler am Heimweg belegen die Plätze. Doch wir sind erstaunt, kaum interessante Hochseeschiffe unter den vielen Yachten zu sehen. Wie sehr hat sich doch das Bild geändert, seit wir die Hohen Breiten hinter uns gelassen haben, wo Großserienyachten Ausnahmen sind. Etwas eigenartig ist es auch, niemanden unter den Seglern zu kennen. Aber wir kommen von abseits, außerdem ist La Belle Epoque die einzige Yacht vor Anker und schon alleine deshalb eine kleine Außenseiterin. Viele Crews kennen sich bereits aus der gemeinsamen Zeit in der Karibik. Abends im „Café Sport“ gesellen wir uns zu einem Tisch deutscher Segler und freuen uns über die nette Runde.

Horta ist der einzige Hafen auf den Azoren, in dem auch vor Anker gezahlt werden muss und so kann uns die hübsche Kleinstadt nicht lange halten. Auch ist die Flotte der World-ARC im Anflug und garantiert bald einen überfüllten Hafen. Anstelle hierzubleiben und auf den Trubel zu warten, suchen wir uns einen Hafen auf der Seekarte, der über keinen Soprtboothafen verfügt und entdecken das für uns schönste Dorf auf den Azoren.

Cais do Pico auf der benachbarten Insel ist nur wenige Seemeilen von Horta entfernt und erzählt eine Geschichte des Walfangs. Bis heute ist die alte Walfangstation am Hafenufer erhalten, es beherbergt ein Museum und einen Ruderclub. Dahinter winden sich die grünen Weiden und Steinterrassen sanft den Vulkan Pico hoch. Ein Vulkan, der mit perfekten Kegel und einem Ring aus Wolken den Blick auf sich zieht. Kleine Weingüter, üppig Gemüsegärten und weißgetünchte Steinhäuser prägen das Bild. Malerische Aussicht über die Nachbarinseln Sou Jorge und Faial und ein Himmel so weit und blau, dass er unendlich scheint.

Sou Jorge wird zur letzten Inseln unseres Azorenaufenthaltes. Auch hier können wir hinter der Mole ankern, auch hierher haben sich nur wenige Fahrtenyachten verirrt.

Früher als erwartet zeigen die Wetterkarten grünes Licht für einen Aufbruch. Wir verwerfen den Plan, noch eine weitere Insel der Azoren zu besuchen, und setzen die Segel zu unserem letzten größeren Atlantiksegeltörn für dieses Jahr. Kurs Galizien. Die Entscheidung ist gut. Die Tiefs ziehen nördlich von uns durch und bringen frische Nordwestwinde, die uns schnell und bequem die knapp tausend Seemeilen nach Spanien treiben werden.