LA BELLE EPOQUE und Nordatlantik – eine Kombination, die einfach funktioniert. Wen wundert es also, dass unser letzter Segelschlag zu Europas Festland einfach nur herrlich wird? Mühelos und wie von selbst erreicht LA BELLE EPOQUE Galizien. An Bord eine entspannte Crew, die jetzt schon weiß, dass sie die kommenden Monate die blaue Welt der Hochsee vermissen wird!
Aber es gibt keinen Grund für Schwermut, sind wir doch genau an der richtigen Ecke Europas, oder besser gesagt am Ufer eines Rias, an Land gegangen. Einer Ecke, welche die österreichischen Fahrtensegler Erika und Erich zu ihrem Zuhause gemacht haben. Ein Zuhause, in dem wir wie alte Freunde empfangen werden. Wo wir mit Apfelstrudel und Paella verwöhnt werden und wo Gemütlichkeit und Fröhlichkeit unterm Dach wohnt.
Es fällt leicht, sich in Spanien wohl zu fühlen. Hier beginnt der Tag langsam, daran gewöhnt man sich sofort. Ein langes Frühstück, gefolgt von einem Spaziergang am Strand. Noch am Vormittag trifft man sich zum Kaffee in einem Gastgarten. Den gibt´s um einen Euro und einen Happen Süßspeise kommt mit dazu. Anschließend schlendern wir durch die Straßen, gehen am Fischmarkt oder erledigen ein paar Kleinigkeiten an Bord. Oder wir wandern über die Hügel zu einem Wasserfall, einem nahen Dorf oder einer weiteren Bucht.

Die Abende sind endlos. Die Sonne geht unglaublich spät unter, sie verwöhnt uns mit langen, warmen Abendstunden. Spanisches Lebensgefühl mit einem Glas gutem Wein und ein paar gebackenen Muscheln verwöhnen Körper und Seele.
Immer wieder umkreisen unsere Gedanken die kommende Zeit. Nach neun Jahren am Wasser ist die Zeit reif, einen mehrmonatigen Aufenthalt in Österreich zu planen. Wir reden darüber, was zuhause alles zu tun ist. Unser Haus braucht dringend Zuwendung. Wir müssen einige Umbauten erledigen und neue Mieter finden. Zeit, etwas eld zu verdienen.
Nicht nur der Arbeit wegen werden wir mehrere Monate in Österreich verbringen. Wir wollen das Landleben nicht „verlernen“. Wollen uns auch weiterhin irgendwo an Land, außerhalb von LA BELLE EPOQUE, zuhause fühlen und nicht alle Erinnerungen an Wurzeln vergessen. Dabei geht es uns nicht ums endgültige „Heimkommen“, denn das ist noch lange nicht am Plan. Es geht darum, unsere eigenen Brücken vor dem Einsturz zu bewahren und die Möglichkeit aufrechtzuerhalten, irgendwann mal heimkommen zu können. Es geht darum, sich an Land weiterhin zurechtzufinden, immer noch ein klein wenig in die Gesellschaft zu passen, auch wenn wir mittlerweile schon schrullig genug sind. Ja, schrullig – nicht nur in unserer Denkensweise, sondern auch in unseren Gewohnheiten. Noch nie haben wir ein Smartphone bedient. Wir leben mit je einem Paar Schuhen neben den Gummistiefel und Flipflops. Ich fühle mich befremdet und gestresst, wenn das Wasser ungenützt aus dem Hahn läuft, während ich mir die Hände einseife. Und es ist viele Jahre her, seit ich zum letzten Mal Schminke besessen oder gar benützt habe.
Wir sind gespannt, wie es unseren Freunden daheim ergangen ist und wie es sein wird, nach so vielen Jahren wieder Zeit gemeinsam verbringen zu können. Gespannt, ob wir immer noch verbindende Gesprächsthemen finden werden oder ob wir uns schon viel zu weit voneinander entfernt haben. Auch diskutieren wir darüber, wie wir den kommenden Landaufenthalt wirtschaftlich meistern werden. Uns ist bewusst, dass das Leben an Land teurer ist als die Freiheit auf See. Alle Annehmlichkeiten, auf die wir auf See stets verzichten, wollen auch bezahlt werden – von Auto oder Telefon bis zum Stom. Auch müssen wir einen Hafenplatz für LA BELLE EPOQUE bezahlen.
Noch aber sind unsere Tage in Spanien nicht vorbei. Wir erleben einfachstes Segeln mit kurzen Etappen und stets schönen Zielen. Das Land zieht uns unverzüglich in seinem Bann. Hübsche Ankerplätze, gemächliches Leben, schöne Küsten und noch viel schönere Strände. Dörfer, die sich in einer charmanten Mischung aus bezaubernden Steinhäusern und engen Gassen präsentieren. Cafés an jeder Ecke.
Wir segeln durch die Rias, ankern hinter Muschelbänke und spatzieren über die Hügel. Unseren Plan, weiter nach Portugal zu segeln, um dort LA BELLE EPOQUE an Land zu heben, verwerfen wir kurzfristig. Wir werden hier in Galizien bleiben. Werden hier einen Hafen beziehen und LA BELLE EPOQUE in der Obhut von Erika und Erich zurücklassen.

Dann stehen Doris und Albert an der Mole und winken uns zu. Jürgens Familie ist gekommen, um uns die letzten Tage in Spanien mit gemeinsamen Urlaubstagen zu verschönern und uns anschließend nach Österreich zu bringen. Das Wetter will nicht ganz mitspielen, aber einige schöne Tage bleiben, um bis Vigo zu segeln und an ein paar Ankerplätzen zu stoppen. Auch mit dem Auto unternehmen wir Ausflüge: Besuchen Santiago de Compostela und spazieren die letzten Schritte der Weitwanderer bis zur Küste von Kap Finisterre. Hier, auf dem westlichsten Felsen des spanischen Festandes endet der weite Weg der Pilger und selbst wir, die nur wenige Schritte gelaufen sind, fühlen das Bemerkenswerte, das Besondere dieses Meilensteins.
Doch ziehen unsere Blicke raus auf das endlose Blau und der anrüchige Ruf dieses wilden Kaps beflügelt unsere Phantasie. Gespannt blicke ich in den Nordwesten, von hier aus liegt nichts außer Wasser zwischen mir und Grönland. Wie einfach wäre es, ins Boot zu steigen, den Bug aus dem Ria zu drehen und die Segel zu setzen. Aber Schluss jetzt, das kann ja noch warten. Feierlich gebe ich mir selbst das Versprechen, dieses Meer, diesen rauen Nordatlantik noch einmal zu überqueren und die unglaublich spannenden Ziele im Hohen Norden erneut genauer kennenzulernen. Nun aber schicke ich meine guten Wünsche zweier ganz besonderer Yachten hinterher. Die österreichische MUKTUK ist diese Saison bereits in Grönland angekommen und langsam auf den Weg in die Arktis. Und SANTA MARIA mit unseren Freunden Wolf und Jan an Bord ist aufgebrochen, um an die grönländische Küste zu gelangen. Aber zugegeben, einfachstes Ria-Segeln bei Schönwetter ist auch mal ganz angenehm!
Gemeinsam mit Erika und Erich besuchen wir das Sardinenfest im Nachbardorf. Ein Hafenfest der Fischer. Über offenem Feuer grillen sie am Ufer unzählige frische Sardinen, während ihre Frauen Wein ausschenken und Brote verteilen. Ein kleiner Jahrmarkt ist aufgebaut und lärmend unterhält ein DJ das Publikum. Nach Sonnenuntergang werden riesige Feuer auf winzige Schäreninseln an der Hafeneinfahrt entfacht. Nach einem donnernden Feuerwerk ist das Spektakel zu Ende. Erst spät nachts rudern wir zurück zur ankernden LA BELLE EPOQUE und starten den Motor, um die paar Seemeilen zurück in „unseren“ Hafen zu laufen.
Dann sind die Tage gezählt. LA BELLE EPOQUE liegt wie in einem Spinnennetz an unzähligen Trossen vertäut im Hafen. Ihre Segel sind abgeschlagen, das Bimini abgebaut. Ein Kleinbus von Krimskrams ist gepackt. Einiges werden wir vorläufig in Österreich aufbewahren: das Ersatzdingi, einen Außenborder, ein extra Segel, unsere Winterausrüstung. Für das kommende Segeljahr werden wir diese Dinge nicht an Bord benötigen. LA BELLE EPOQUE wird uns danken, ein wenig erleichtert zu werden.

Schon zieht die Landschaft Spaniens vor der Autoscheibe vorüber. Wir ziehen auf der Autobahn dahin, sehen nur wenig von den hübschen Dörfern Galiziens und sind dennoch beeindruckt von diesem schönen Land. Dann wird es trocken und heiß, wir sind auf den Weg in den Süden.
Erst am Abend erreichen wir Barcelona. Obwohl wir den ganzen Tag nur im Auto gesessen sind, sind wir viel zu zerschlagen, um uns am Abend noch die Stadt genauer anzusehen. So beziehen wir ein Hotel in einem Vorort und verschieben den Stadtbesuch auf ein andermal. Es währe uns ohnehin unmöglich, in nur einem Abend einen Eindruck von dieser alten Stadt zu erhalten.
Als wir am folgenden Vormittag in den Hafen gelangen, wartet die Fähre bereits an ihrem Dock. Auf ihr werden wir bis Genua reisen. Während vielen anderen Gästen an Bord die Reise lang und langsam erscheint, fühlen wir uns in rasanter Fahrt. Mit 24 Knoten schiebt sich die Fähre durch das spiegelglatte Mittelmeer. Wir haben uns einen schattigen Platz unter den Rettungsbooten gefunden und düsen durch den heute zahmen Löwengolf. Sechzehn Stunden später erreichen wir den stolzen Hafen von Genua, hohlen das Auto aus dem Schiffsbauch und düsen nachhause.