Jede große Seereise beginnt mit zwei großen A: Arbeit und Abschied! Wir haben das Glück, dass uns unsere Segelfreunde mit ihrem Abschied die Arbeit entschieden versüßen:
Während LA BELLE EPOQUE noch am Trockenen thront und wir Tag für Tag die letzten kleinen Arbeiten an ihr erledigen, macht WINGGIS 42 im Hafen vor Barth fest.
Die Schweizer Segler Alessandra und Martin haben es sich zur Aufgabe gemacht, uns unsere Werftzeit mit abendlichen WINGGIS-BBQs zu veredeln.
Als dann noch Julia und Jens mit ihrem Sportflugzeug aus Hamburg eingeflogen kommen, ist die Abschiedsrunde perfekt.

Es ist bereits zwei Jahre her, seit sich unsere drei Boote einen Ankerplatz in Bornholm teilten und es gibt viel zu berichten.
Wir erfahren von SENJAs Reise bis nach Nordnorwegen und davon, wie gut unser kleines rotes Stagreitersegel auf dem neu konzipiertem Rigg der seegängigen Motoryacht funktioniert. Und wir hören, wie es Alessandra und Martin während ihres schwedischen Winters an Bord der WINGGIS 42 ergangen ist.
Die Zeit vergeht im Flug, bald sind wir wieder alleine und die Arbeiten an Bord erledigt.
Am Werftgelände herrscht Frühlingsstimmung, wie am Fließband werden die Boote ins Wasser gehoben. Trotz der hohen Auslastung findet sich auch für uns ein Krantermin, damit geht LA BELLE noch rechtzeitig vorm Maifeiertag baden und wir können endlich wieder in unser schwimmendes Heim einziehen.

Die kommenden Tage fühlen sich wie Urlaub an. Zumindest für mich.
Denn während Jürgen sich in die Staus der deutschen Autobahnen wirft, um unseren Campervan zurück nach Österreich zu bringen, vertreibe ich mir die Zeit mit kleinen Verbesserungsarbeiten an Bord.
Ich nähe den Sonnenschutz der Fock fertig, betakle die frisch eingeschorenen Reffleinen, löte an den neuen Lampen herum und staue den frischgekauften Proviant.
Es sind die ersten Tage, an denen endlich die letzten Sorgen und der Stress der vergangenen Zeit von mir abfallen.
Tage später hole ich Jürgen vom Bahnhof ab. Wir sind bereit zum Ablegen. Zum Aufbruch zur neuen Reise.

Gemächlich ziehen wir durch die deutsche und dänische Ostsee. Ankern vor sandigen Küsten, ziehen weiter, wenn der Wind es zulässt. Trödeln zwischen den dänischen Inseln herum und lassen schließlich die Große Belt Brücke im Kielwasser.
Der Wind frischt auf, dreht auf West und faucht bösartig zwischen Fyn und Samsø.
Längst ist die Genua gegen die Fock ausgetauscht. Wir freuen uns über die einfache Arbeit am neuen Großreffsystem, in wenigen Minuten ist das erste Reff eingebunden.
LA BELLE schüttelt sich, prescht dahin. Wieder einmal bin ich begeistert, wie gut sie unter gerefften Segeln laufen will.
Am rundum geschützten Ankerplatz von Samsø warten wir, bis der Starkwind durchzieht. Samsø ist immer wieder erstaunlich. Sobald die Sonne rauskommt, leuchtet die Bucht, als liege sie in der Südsee: helle Sandstrände, Türkises Wasser, einsame Vogelinseln.
Der gemeldete Südost kommt früher als erwartet.
Mittags am 10. Mai legen wir ab. Kurs Norwegen. Vorm Wind laufen wir der ersten Nacht auf See entgegen.
Ruhig liegt das Kattegat, der Mond beleuchtet eine kalte Ostsee, vereinzelt blinken Leuchtfeuer von den Ufern. Zu Steuerbord ziehen die Lichter der Frachter vorüber, ich halte mich unter der Küste Jütlands, kreuzen den Kurs eines sonderbaren Schiffes, eines Kabellegers.

Noch ist die Nacht auf der Ostsee kalt, eingepackt in langer Unterwäsche, Thermo-Hosen und Winterjacke bin ich dennoch froh, im Steuerhaus Schutz vor dem eisigen Wind zu finden. Die Lichter eines entgegenkommenden Schleppers helfen mir, wach zu bleiben.
Um vier Uhr morgens übergebe ich Jürgen seine Wache. Was gibt es Schöneres, als jetzt in eine warme Koje zu steigen! Keine zehn Minuten später schlafe ich tief und fest.
Als ich am späten Vormittag wieder aufwache, ist es warm im Schifferl. Jürgen hat die neue Dieselstandheizung im Steuerhaus aktiviert.
Was für Luxus! Auf die neue Standheizung habe ich letzte Nacht glatt vergessen!
Mittlerweile sind wir bei Skagen angelangt und der Verkehr um uns ist beachtlich.
Mindestens 30 Schiffe liegen vor Anker, noch viel mehr sind unterwegs. Tanker, Frachter, Kreuzfahrer und Fähren. Dazwischen tummeln sich Fischer. Und ein Segelboot. Wir.

Wir lassen Skagen – und damit das Kattegat – in unserem Kielwasser. Segeln immer noch vor dem Wind in das ruhige Skagerrak. Langsam stirbt der Wind, aus sechs Knoten Fahrt werden vier, dann drei und zwei. Vorerst unternehme ich gar nichts.
Wir befinden uns in der Schifffahrtsstraße vor Skagen, der in die Ostsee laufende Verkehr liegt bereits hinter uns. Deshalb starte ich den Motor erst, als die drei Frachter längst vor uns passiert sind.
Wie einfach hat es das AIS doch gemacht, den Weg durch vielbefahrene Gebiete zu finden. Zwar senden wir immer noch keine AIS-Signale, aber empfangen können wir sie doch.
Lange müssen wir nicht unter Motor laufen, meldet sich erneut eine leichte Brise. Unter Segel passieren wir ein Feld mit unzähligen Fischern. Am 12. Mai laufen wir entspannt um sechs Uhr morgens in Norwegen ein.
