Frei sein. Die Welt entdecken. Das Abenteuer suchen.
Für uns sind das nicht einfach nur Sprüche. Es sind Wörter, die unseren Lebensweg geprägt haben, die zu unserer Lebenseinstellung geworden sind.
Nun waren wir immer wieder viele Jahre unterwegs, um die Welt für uns zu entdecken und das Abenteuer zu leben. Dabei haben wir unsere liebste Reiseart gefunden. Die Möglichkeit, unabhängig und aus eigener Kraft ganze Ozeane zu überqueren und Ziele zu erreichen. Wir sind zu professionellen Seglern gewachsen – Langfahrtsegler, Cruiser, Blauwassersegler, Segelabenteurer.
Doch frei zu sein heißt auch, die Freiheit zu haben, zwischendurch mal etwas ganz anderes zu versuchen. Die Welt zu entdecken heißt genauso, in ganz anderes Terrain vorzudringen.
Das Abenteuer suchen? Was gibt es für ein größeres Abenteuer, als sich auf neue Wege einzulassen, neues zu versuchen?
Und so haben wir beschlossen, den heurigen Sommer ein paar Wochen lang etwas ganz anderes zu machen. Wir haben uns entschieden, per Campervan Island zu erkunden. Mit der Fähre nach Island.
Das soll was ganz anderes sein, nachdem wir bereits zweimal nach Island gesegelt sind?
Und wo bitte bleibt das Abenteuer, wenn die Reise mühelos per Fähre über den Nordatlantik führt und auf eine Insel führt, die von unglaublichen 2 Millionen Touristen im Jahr heimgesucht wird?
Und doch sollte Island für uns ein echtes Abenteuer werden. Denn wir haben unsere Trial-Motorräder in der Heckgarage! Wir brechen auf nach Island, um, abseits jeder Touristrecke, die extremsten Schotterpassagen dieser wilden Insel zu erkunden.
Ende Mai ist es soweit. Mit der Fähre nach Island
Gemütlich rollen wir durch Dänemark, die Nase immer Richtung Norden. Eine letzte Übernachtung auf einem Parkplatz am Festland und schon stehen wir in der Reihe – Line 2 Faroe Island / Iceland!
An Bord wird es erst einmal etwas langweilig. Wir liegen im 9. Stockwerk auf zwei Sofas und draußen zieht das ruhige Skagerrak vorbei. Die Heizung läuft auf Hochtouren und bald schon fühlen wir uns von der Hitze erschlagen.
Gemischte Gefühle: Es ist gemütlich, aber auch langweilig. Ich fühle mich gut, wieder mitten am Meer zu sein, und doch lässt sich das Meer hier kaum spüren. Kann nicht wenigstens das Wetter seine Zähne zeigen?
Im Dämmerschlaf gehts in die Nordsee. Unser Quartier ist eher gewöhnungsbedürftig, liegen wir doch in der „Heldenkammer“ – ganz unten und im Bug in den billigen Plätzen. Irgendwie ein eigenartiges Gefühl, in einem Dickschiff unter der Wasserlinie zu nächtigen.
Die Shetlandinseln dürfen wir aus der Ferne bestaunen. Mittlerweile haben wir uns eingewöhnt. Haben die Sofas im Oberdeck längst aufgegeben und schlendern draußen auf Deck herum. Einen Tag später laufen wir in Thorshavn ein.
Am Steg liegt die Yacht PANGEY. Ob Helen und Mike uns noch erkennen? Immerhin ist ja LA BELLE EPOQUE nirgends zu sehen… Ich klopfe an den Rumpf. „Oh mein Gott, Claudia! Wie toll euch beide hier zu sehen! Aber ich hab garnicht bemerkt, dass ihr eingelaufen seid!“ Helen hat sich nicht nur erinnert, sie fällt mir um den Hals. Wie schön, zur Familie der Blauwassersegler zu gehören!
Stunden später dreht der Bug der Fähre in den Nordatlantik. Und damit wird es auch ein wenig aufregender. Der Kapitän lässt wissen: Windstärke 8, 5m See. Ich kann es nicht glauben. Wenn ich in meiner Koje die Augen schließe, könnte ich fast meinen, auf LA BELLE EPOQUE zu sein. Das Stampfen, das Rollen, selbst die Geräusche der Bugwelle sind ähnlich. Einziger Unterschied: Das stundenlange Würgen und Erbrechen, das aus der Gemeinschaftstoilette durch den Gang klingt. Armer Mitreisender, vermutlich wird er nicht so schnell wieder an Bord eines Schiffes gehen!
Drei Tage, nachdem wir Dänemark verlassen haben, laufen wir in den Sey∂isfjör∂ur ein. Ein Zwergwal begleitet uns in den Fjord während an Bord Aufbruchstimmung herrscht. 5 Wochen herrlichstes Offroad-Abenteuer liegt vor uns. So der Plan.
Und dann geht plötzlich alles schief!
Ungläubig dreht Jürgen am Zündschloss. Die Lichter gehen an, der Starter heult auf – und sonst passiert nichts. Ungeduldig drängen sich die Camper hinter uns aus ihren Parklücken. Ziehen der Reihe nach an uns vorüber, während wir keinen Meter vorwärtsmachen.
Dann ist das Autodeck der Fähre leer. Bis auf uns. Während wir gemeinsam mit den Arbeitern der Smyril-Linie unseren Camper von der Fähre schieben, fragt Jürgen nach: Kann der Campingbus auch wieder verladen werden, ohne dass er läuft? Ich ahne Schlimmes. Wenn Jürgen mal so nachfragt, kann das nur bedeuten, dass er mit einem größeren Schaden rechnet.
Erst mal draußen hilft der Zoll mit, um uns aus den Weg zu schieben. Beim ersten Check ein kurzer Lichtblick: Eine Sicherung ist durchgebrannt. Wir wechseln aus … nichts passiert.
Dann ruft ein Zollbeamter einen Freund zu Hilfe.
Der Isländer fährt mit seinem Pick-up vor, nimmt uns an den Haken und schleppt uns 30 km zur nächsten Ortschaft. Dort sollte es zwei Werkstätten geben. Doch keine der beiden Werkstätten hat Zeit für uns. Ausgebucht bis Anfang Juli, heißt es.
Unser Abschlepp-Helfer will sich aus dem Staub machen, doch Jürgen verhandelt, er sollte uns wenigsten wieder mit zurück nach Sey∂isfjör∂ur schleppen. 300 Euro und eine Flasche Akvavit später stehen wir wieder am Parkplatz der Fähre. Haben gelernt, dass wir vielleicht nicht mehr so bereitwillig Hilfe in Island annehmen sollten.
Die Angestellten der Fähre bleiben hilfsbereit. Ja, wir dürfen notfalls die kommenden Wochen hier am Gelände stehen bleiben. Auch der Campingplatz nebenan hat kein Problem damit, wenn wir ab und zu zum Duschen vorbeikommen würden.
In der Zwischenzeit ist Jürgens Schwester samt Ehemann bei uns angekommen. Eigentlich wollten wir eine gemeinsame Woche in Island verbringen. Nun bleibt es bei zwei gemeinsame Tage, bevor wir die beiden weiterschicken. Die beiden sollen nich auch noch ihren Urlaub für unseren Bruch opfern.
Nach den gemeinsamen Tagen müssen wir aber endlich entscheiden, wie es bei uns weitergehen soll.
Also was tun?
Sollten wir versuchen, hier am Parkplatz den Motor zu reparieren? Oder besser ein Zelt kaufen und mit den Trial-Mopeds Island erkunden? Vielleicht aber nur am Parkplatz im Bus wohnen und zwischendurch kleinere Touren fahren? Aufgeben und umbuchen?
Eines nach dem Anderen. Jürgen hängt über dem Motorraum, zerlegt den Kopf und arbeitet sich zum Zahnriemen vor. Eine erste Diagnose ist düster: Der Zahnriemenspanner ist gebrochen, der Zahnriemen gerissen, die Nockenwellen sitzen fest. Fazit: Kapitaler Motorschaden!
Wir können es kaum glauben. Können wir wirklich so einen massiven Schaden beim Auffahren auf die Fähre erlitten haben, ohne es überhaupt zu merken? Das Rätsel wird sich auf jeden Fall nicht hier am Parkplatz lösen lassen.
Den Wagen können wir nicht hier reparieren.
Also die nächsten Möglichkeiten prüfen: Ein Zelt kaufen. Im Internet werden wir fündig. Ein Zelt, das in Deutschland für 38 Euro zum Verkauf steht, wird hier auf Island um umgerechnet 310 Euro angeboten. Hab ich mich etwa verrechnet?! „Island ist eben etwas teurer“, meint die Mitarbeiterin der Fährlinie achselzuckend. „Aber zumindest wäre das Zelt in einer Woche oder so hier“ – schießt sie eine gut gemeinte Aufmunterung nach.
Die macht mir Spaß. Langsam werde ich trotzig. Das knapp zehnfache für ein Billigzelt will ich nicht bezahlen. Außerdem macht das Trial-Fahren mit schwerem Gepäck ohnehin nicht viel Spaß.
Auch läuft uns die Zeit davon. Hängen wir jetzt die fünf Wochen hier in Island mit unserem kaputten Camper herum, können wir die geplante Segeltour nach Schweden und Finnland vergessen. Denn im Oktober haben wir den ersten Vortrag vereinbart. Und spätestens dann muss unser rollender Untersatz wieder einwandfrei laufen.
Dann erreicht uns eine Nachricht von unseren Hausmietern: Der Heizraum steht unter Wasser, der Heizungskessel ist durchgerostet.
Auch dass noch.
Wir geben uns geschlagen. Zumindest das Umbuchen der Fähre ist problemlos. Über Internet suchen wir einen bezahlbaren Transporteur nach Österreich. Und haben Glück: Nicht nur der Preis passt, wir können sogar im Kleintransporter mitfahren. Hasan wird uns direkt nach Ankunft der Fähre in Dänemark abholen und nachhause bringen.
Befreundete Segler melden sich via Whats-App. Martin und Alessandra sind gerade mit ihrem Bus in Norddeutschland beim Boot. Obwohl wir schon viele Jahre über email befreundet sind, haben wir uns erst letzten Winter in der Schweiz persönlich kennengelernt.
Ihre spontane Hilfsbereitschaft fühlt sich an wie eine Umarmung an einem schwarzen Tag:
Sie schlagen vor, uns in Dänemark abzuholen und nach Norddeutschland zu schleppen. Bei ihrer Werft könnten wir ja den Motor zur Reparatur ausbauen. „Ihr könnt gerne mit unserem Bus euren Motor nach Österreich fahren, wenn ihr den Motor in eurer Werkstatt selbst reparieren wollt!“ So das großzügige Angebot. „Unter Segler hilft man sich doch gerne!“
Wir werden das Angebot zwar nicht annehmen, da wir bereits den ganzen Transport nach Österreich fixiert haben, doch der Tag mit Schwester und Schwager und das Wissen, Freunde in der Welt zu haben, gibt uns unsere Flügel zurück. Lässt uns alle Schwarzmalerei vergessen.
„Ist ja eigentlich nicht so schlimm,“ meint Jürgen.
„Denk doch mal im Vergleich zurück an Horvat, dem haben sie doch vor einigen Jahren den ganzen Campingbus mit allem drum und dran in Italien gestohlen! Das ist schlimm. Da ist ein Motorschaden ja doch nur eine kleine Panne.“
Und recht hat er: Das Auto können wir zuhause reparieren und immerhin stehen wir nicht irgendwo in den Highlands von Island und müssen uns sorgen machen, wie wir es zurück zur Fähre schaffen werden. Wir haben nichts verloren außer vielleicht etwas Geld. Und wie viel kann Geld schon wert sein?
„Auch gut: Stell dir vor, der Camper wär schon vor der Fähre eingegangen. Dann hätten wir nicht erlebt, wie sich ein Törn am Dickschiff anfühlt. Dann hätten wir nicht Helen und Mike auf ihrer PANGEY getroffen. Und wir hätten keine zwei Tage mit Doris und Albert auf Island verbracht. Wie toll, dass er es noch bis auf die Fähre und keinen Meter weiter geschafft hat!“ Jürgens Optimismus steckt an.
Und so packen wir die Motorräder aus und nützen die paar wenigen Tage bis zu unserer Abfahrt dazu, die Schneefallgrenze an Islands Ostküste zu erreichen!
Dann verschwindet Island im Kielwasser der Fähre und wir geben uns das Versprechen, diese Reise bald noch einmal nachzuholen.
Hallo zusammen, schade dass Eure Reise nicht geklappt hat wie geplant. Ich hoffe dass wenigstens unser kleiner Abschlepphaken konnte Euch helfen. Liebe Grüße Christian
Hallo Christian, danke nochmal für eure Hilfe! Damit konnten wir den Bus wieder sicher nach Hause bringen und seit heute läuft der neu überholte Motor wieder! Es gibt immer wieder Aufwind, wenn einem spontan Gehofen wird! Danke euch!