Tausend und eine Insel

Knapp 20 Seemeilen vor der Küste liegen die Schären von Froan. Ein Archipel aus hunderten Inseln, Schären, Felsen und Untiefen. Wir haben uns die nördlichsten dieser Inseln zum Ziel gesetzt: Halten.

Eine leichte Brise aus Süd ist gemeldet und zu unserer Überraschung ist sie sogar stark genug, um LA BELLE EPOQUE durchs Wasser gleiten zu lassen. Die vielen Schären voraus bilden eine natürliche Barriere, halten jegliche See vom Nordmeer fern.

Die Brise selbst ist nicht stark genug, um Windsee aufzubauschen. Wir segeln durch spiegelglattes Wasser, dass sich am Horizont mit dem fahlen Blau des Himmels vereint. Nur die Perlenkette aus Schären gibt dem Auge etwas, worauf sie ruhen können. Einzelne Fischkutter mit leuchten rotem Steuerhausdeck arbeiten an ihren Langleinen.

Auch wir werden hier draußen noch auf Dorschjagd gehen.

Vorsichtig laufen wir im Inselwirrwarr ein, unzählige Möwen schreien uns ihren aufgeregten Gruß vom alten Seemannsheim entgegen. Dort, an der roten Hauswand und am alten Blechdach haben sie ihre Nester gebaut, nachdem es auf dem Schärenarchipel an schroffen Felshängen mangelt.

Möwennester an der Hausmauer
Möwenheim!

Von den runden Felsen der Inseln beobachten uns Komorane, während sie mit geöffneten Flügeln ihre Federn trocknen lassen. Im Wasser tummeln sich Papageientaucher, ohne uns groß Beachtung zu schenken, waschen sie ihr Gefieder in der kalten See.

Papageientaucher am Wasser
Die Papageientaucher lassen sich von uns nicht stören.

Der Anker fällt hinter dem derzeit arbeitslosen Leuchtturm.

Es wird noch einen Monat dauern, bis er mit seiner Lichtkennung erneut die Schiffe vor der Küste warnt. Bis dahin wird die Mitternachtssonne für Sicht sorgen.

Wir heben unser Beiboot von Deck und fahren raus zum Fischen. 

LA BELLE EPOQUE ankert vor dem Leuchtturm
Ankern beim Leuchtturm Halten

Wobei „raus“ nicht ganz die Wahrheit trifft, das offene Meer sieht uns nicht. Die tiefen Rinnen zwischen den Schären sind unser Ziel, hier tummelt sich sicher Dorsch & Co.

Wie immer wird Jürgen bereits ungeduldig, sobald er die Angel in den Händen hält. Sobald der Köder den Meeresboden unbeachtet erreicht, raunt er bereits „hier ist kein Fisch, lass es uns wo anders versuchen!“ Aber so geht das doch nicht!

Zehn Minuten später kurven wir ein Stück weiter.

Versuchen es an einer anderen Stelle. Prompt zieht Jürgen einen Dorsch an die Wasseroberfläche. Zu klein, jetzt heißt es schnell sein, den Haken aus dem Maul fädeln und ab zurück ins Wasser.

Während meine Angel völlig unbeachtet bleibt, zieht Jürgen seinen zweiten Fang hoch. Ein Leng. Dieser hat nicht so viel Glück wie der kleine Dorsch. Er bekommt den Knüppel über den Kopf, gefolgt von einem Herzstich. Jürgen füttert die wartenden Möwen mit Fischinnereien, während ich widerwillig meine Köder aus der Tiefe kurble.

Eigentlich bin ja ich der geborene Angler hier, bilde ich mir zumindest ein. Geschlagen zurück zum Boot zu fahren ist nicht meine Stärke. Aber das muss ich auch nicht!

Kaum haben meine Köder den Meeresboden verlassen, gibts einen Schlag auf der Angel. „Das ist kein Dorsch“, denke ich noch, schon kommt der nächste Schlag. Der Fisch an meiner Angel denkt nicht daran, dem Schicksal ergeben aufzugeben. Er kämpft, will abhauen. Und kann mir dennoch nicht mehr entkommen.

Claudia zeigt ihre gefangenen Seelachse

Zwei schöne Seelachse brechen durch die Wasseroberfläche und ich weiß, dass ich heute wieder mal einiges an Bord zu tun habe und heize schon im Gedanken den Einkochtopf.

Flaute

Wir haben genau zwei Möglichkeiten:

Entweder zu warten, bis sich das Hoch mit seinem Sonnenschein und seinen flauen Nordwinden verzieht, oder dieseln. Anders gesagt: Motorbootfahren und die wunderschöne Küste in den Norden bei herrlichem Schönwetter erleben, oder auf segelbaren Südwind warten, der aber mit trüben Wetter, Regen und Starkwind einhergeht.

Klar, die Entscheidung fällt zugunsten von Mr. Perkins!

Entsprechend unspektakulär geht es also weiter. Unter Motor fahren wir durch die ruhige Folla – ein Seegebiet, das eigentlich mit gruseliger See aufwartet, jetzt aber von der Flaute gezähmt bleibt. Durch Rørvik, wo wir die Provinz Nordland erreichen, und vorbei an Leka, jene Insel, die eigentlich nicht nach Norwegen gehört.

Wobei, vielleicht sollte man heutzutage nicht auf die große Glocke hängen, dass Leka eigentlich kein europäisches, sondern amerikanisches Gestein ist. Manche Präsidenten dieser Welt könnten ja bei dieser Information noch auf komische Gedanken kommen…

Unser Ziel aber liegt weiter im Norden: Torghattan – der Berg mit dem Loch, der eigentlich kein Berg ist.

Denn der Legende nach handelt es sich bei Torghattan nicht um einen gewöhnlichen Berg, sondern um den Hut eines Trollkönigs, der von einem Pfeil durchbohrt wurde und schließlich zu Stein wurde. Logisch, das sieht man ja bereits von Weitem!

Torghattan
Torghattan – vom weiten sieht das Loch klein aus, aber aus der Nähe betrachtet würde ein ganzes Hurtigroutenschiff durchs Loch passen!

Wir sind nicht nur deshalb nach Torghattan gekommen, um das Loch im Hut – Pardon, das Loch im Berg – genauer zu inspizieren, sondern vor allem, um unsere Freunde Julia und Jens zu treffen. 

Nach einem Winter in Norden ist SENJA derzeit auf Südkurs. Sie ist eine spezielle Fahrtenyacht, der von Weitem anzusehen ist, dass sich auf ihr zwei Techniker und Entwickler auf den Weg gemacht haben. Denn sie ist eine Motoryacht, die neuerdings stolz auch ein Segel zeigt.

Nicht irgendein Segel, es ist LA BELLE´s kleine rote Starkwindfock, die fröhlich über SENJAS Vordeck weht.

Kaum ankern wir hinter SENJA, gibts erst einmal eine kleine Führung am Vordeck und wir bestaunen die technische Umsetzung einer spannenden Idee. Dann fallen wir über Julias Kuchen her!

LA BELLE EPOQUE und SENJA

Zwei Tage voller Gespräche, gegenseitigen Einladungen und gemeinsamen Wanderungen folgen. Schade, dass unsere Kurse in entgegengesetzten Richtungen laufen. Aber für uns steht fest: auch wenn wir uns keine großen Ziele vorgenommen haben, wenigstens bis zu den Lofoten wollen wir heuer noch segeln.

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