Von Hüttenkoller und Neujahrsvorsätzen

Versunken im Nebel sitze ich am Rechner und lasse die Adventszeit fast unbemerkt an mir vorüberziehen, während sich langsam so etwas wie Hüttenkoller bei mir einschlecht.

Ich schreibe Texte, bearbeite Fotos, suche Vortragsveranstalter, arbeite am neuen Vortrag, tüftle auf den Homepages und stelle die Videos für unser großes Seminar-Projekt zusammen. 

Jürgen, der weder genügend Sitzfleisch noch Nerven für Arbeiten am Rechner hat, verzieht sich sicherheitshalber jeden Morgen in die Werkstätte. Er entrostet die Hinterachse unseres Alltagsautos, baut die Heizung vom Roten Blitz um, wartet meine kleine Beta und überholt den Motor seiner Honda. Und er baut für unseren Großbaum eine neue Aufnahme für die Dirk.

Schweißen
Es gibt immer was zu tun.

In der Zwischenzeit staune ich mehr und mehr über mich selbst. Staune darüber, dass ich plötzlich so etwas wie Unmut fühle, sobald ich den Rechner starte. Habe ich doch bisher immer gerne an unseren Erzählungen gearbeitet und es als Herausforderung gesehen, als Quereinsteigerin zwei Homepages am Laufen zu halten.

Doch seit einiger Zeit wächst mein Verdruss, während ich mich mit den Firewalls und Malware-Schutz der Homepages herumplage oder mich um die SEO-Tauglichkeit der einzelnen Beträge kümmere.

Unzufriedenheit ist etwas, dass ich nicht einfach so hinnehmen kann. 

Ich muss ihr auf den Grund gehen, muss herausfinden, was mir nicht passt – damit ich etwas ändern kann.

Das erste Rezept gegen Hüttenkoller und Missmut ist denkbar einfach: Es nennt sich Sonne. Wir packen eine Thermoskanne Tee und die Wanderstöcke in den Rucksack und fahren in den Böhmerwald. Wandern hoch bis zur tschechischen Grenze und legen Rast am Plöckenstein ein. Wir überblicken ein Nebelmeer tief unter uns und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. 

Ab sofort verschwinden wir wenigstens zweimal wöchentlich in die Berge.

Nebelmeer
In die Berge und aus dem Nebel!

Das zweite Rezept ist nicht viel schwieriger: Wir besuchen Freunde, feiern kleine Weihnachtsfeiern und finden raus, was die Veranstaltungskalender rund um uns so anbieten. Wir besuchen das Winter-Update des Alpenvereins und lernen wiedermal etwas über Lawinen, Absturzgefahr und Unterkühlung für unsere geplanten Skitouren dazu. Nicht virtuell, sondern real life.

Schon sind die Anzeichen für Hüttenkoller verflogen. Und doch weiß ich, dass ich mich noch nicht um den Kern der Geschichte gekümmert habe. Die Frage, warum ich eigentlich keine Lust am Schreiben habe. Die Frage, woher mein plötzlicher Feldzug gegen das Internet kommt.

Und so drehen sich meine Gedanken mehr und mehr um eine virtuelle Welt. Es ist eine Welt, für die ich einst große Chance gesehen habe, und die ich doch immer weniger schätze.

Internet
Ist die virtuelle Welt wirklich noch so bunt?

Es gab eine Zeit, in der sich das www ein klein wenig nach Revolution und Freiheit roch.

Eine Zeit, in der kein Verlag oder Label zensurieren konnte, welches Werk veröffentlicht werden sollte und welches nicht. Eine Zeit, in der plötzlich Information und Kunst zugänglich wurde, die aufgrund zu geringem wirtschaftlichen Interesse über herkömmliche Kanäle keine Chance bekommen hätten.

Wissen, Kultur und Geschichte der Menschheit wurde öffentlich zugänglich. Über Open-Source, Auf Projekt Gutenberg, auf Wikipedia, oder über andere Initiativen und Plattformen.

Und in Fachforen halfen sich Interessengruppen gegenseitig. Mit Fachwissen, Erfahrungsberichten und mit Ideenaustausch.

Keine Sorge, ich bin nicht einfach nur naiv. 

Natürlich war auch mir von Anfang an klar, dass eine virtuelle Welt nicht einfach nur von Luft und Freiheit lebt. Das diese Welt auch wirtschaftlichen Seiten haben soll und muss. Und dass ein riesiger neuer Markt entsteht. 

SEO Daten
Klar war auch die Wirtschaftlichkeit immer schon ein Thema in der virtuellen Welt.

Ganz klar aber war zumindest mir nicht, mit welchem Tempo diese virtuelle Wirtschaftswelt uns bald überlaufen würde. Und ich war naiv genug, dass ich dachte, das „Gläsernheit“ und Datenschutz die größten Herausforderungen der visuellen Welt sein könnten.

In letzter Zeit sehe ich mich virtuell mehr und mehr mit einer Welt konfrontiert, in der kaum noch etwas vom einstigen Gedanken übrig ist.

Das Internet ist mehr und mehr in eine Welt der Verschwendung und des Konsums gerutscht.

Eine Welt in der Selbstdarstellung als sozial eingestuft wird. Wo Bots und Software Kaufverhalten analysiert und kanalisiert und Algorithmen walten und lenken.

In der Nachrichten einzig und alleine darauf abzielen, Geld mit Werbeeinlagen zu kreieren. Wobei für „Views“ auch Missinformation und Lüge im grenzenlosen Ausmaß akzeptiert wird.

Eine Welt, in der „Künstliche Idiotie“ unter Einsatz von unendlichen Mengen an Energie informationen verdreht, Halbwahrheiten ohne ernstzunehmenden Quellen und ohne zeitlichen Zusammenhängen verzapft und Werke und Videos produziert, die von kuschelnden Eisbären bis zu superintelligenten Haustieren strotzt.

Virtuelle Welt
Willkommen in der toxischen virtuellen Welt

Und schlimmer noch, es ist eine virtuelle Welt entstanden, in der Betrug und Lüge in einem neuen, noch nie gesehenen Ausmaß floriert.

Und in der es immer schwieriger wird, sich noch vor diesen Angriffe zu schützen.

Über phishing mails wird mittlerweile mehrmals täglich versucht, an unser Bankkonto zu gelangen. Der Mailverkehr vom Finanzamt ist nicht mehr zwingend echt und alle par Stunden werden mir in schaurig schlecht übersetzten e-Mails Potenzmittel, Pülverchen, e-Bikes oder Heilmethoden feilgeboten.

Wiederholt arbeite ich tagelang daran, unsere beiden Homepages gegen Malware, Brut-Atacken, Würmer oder Trojanern zu schützen. 

Öffne ich einen Shop, hilft mir nicht einmal noch der Blick aufs Impressum um sicherzustellen, dass ich nicht einfach nur auf einen Skam hereinfalle. 

Und um auch nur einer einzigen Nachricht Glauben schenken zu können, muss ich mittlerweile selbst zum Journalisten werden und mehrere seriöse Quellen finden, um die Information zu überprüfen. Obwohl, was sind schon noch seriöse Quellen, wenn alle Nachrichtensender einfach voneinander abschreiben, anstelle journalistischer Arbeit zu leisten?

Und während die virtuelle Welt in einem Moloch zwischen Illegalität, Konsumwahnsinn, Selbstdarstellung und Fake News versinkt, macht sie User zu Junkies und frisst Energie und Ressourcen in einem Ausmaß, dass selbst den weltweiten Flugverkehr blas aussehen lässt.

security alert

Und damit sind wir also an dem Kern meines Unmutes gegenüber meinem Rechner angekommen.

Aber was tun? Wie mit dieser neuen Welt des Datenwahnsinns umgehen?

Mein erster Gedanke ist, mich von sämtlichen sogenannten Sozialen Plattformen abzumelden und meine Homepages einzustampfen. Frei nach dem Motto: Mach kaputt was sich kaputt macht! 

Und dieser Gedanke ist gar nicht mal so schwer zu verstehen. Immerhin habe ich eine gewisse Erfahrung mit dem Erfolg dieser Strategie. Denn als ich vor Jahren mein Twitter-Konto löschte, nachdem die Plattform als X immer aggressiver versuchte, mich zuzumüllen, hat sich das ehrlich gut angefühlt. Und es hat mir bis heute keinerlei Nachteile eingebracht.

letzter Trotz

Aber andererseits sprechen viele Fakten gegen einen Komplettausstieg aus dem Internet. Schon alleine die Tatsache, das wir selbständig sind und mitunter von Veröffentlichungen leben, spricht dagegen. Denn ja, unsere Homepages sind im Gedanken der OpenSorce geschrieben. Wir veröffentlichen unsere Erfahrungen, unser Wissen. Nicht, um etwas zu verkaufen, sondern um der Community etwas zu schenken.

Und wir teilen hochauflösende Fotos in der einen oder anderen Plattform und bedanken uns auf diesen Weg an alle Künstler, alle Programmierer und alle jene, deren Werke wir kostenfrei aus dem Internet saugen dürfen.

Aber zu dieser Realität hat sich mittlerweile doch auch etwas anderes gesellt. 

Denn ja, wir haben gelernt, aus unseren Geschichten auch ein kleines Einkommen zu beziehen. Zuerst mit Bücher, später kam Auftritte dazu. Und ja, auf der Bühne zu stehen und von unseren Geschichten zu erzählen macht uns nicht nur Spaß, sondern bringt auch Einkommen. Und ehrlich, wie um alles in der Welt könnten wir heute noch unsere Vorträge oder Bücher bewerben, ohne aktiv im Netz zu sein?

Ausstellung Discovery Days

Deshalb wird mir schnell klar: Nur weil das www gerade in eine Richtung geht, die ich nicht für gut heißt, kann und will ich nicht alles hinschmeißen. Aber ich merke, es ist allerhöchste Zeit, den Umgang mit dem Netz zu überdenken. 

Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Und zwar auch im Netz.

Und deshalb habe ich mir Vorsätze für 2026 genommen. Vorsätze, die gleichzeitig Versprechen mir selbst gegenüber aber auch dir und jedem meiner Leser gegenüber sind:

Ich verspreche ab sofort keine sinnlose Selbstdarstellung zu versuchen.

In Zukunft sollen alle meine Postings auf Insta, fb oder Co mit einem Inhalt verbunden sein. Keine sinnlosen Selfies, keine unnötigen Schnappschüsse ohne Geschichte oder Aussage. 

no more selfies

Ich weiß sehr wohl, dass nur selten Texte zu Bildern oder Reels gelesen werden. Schon gar nicht, wenn sie länger als zwei Sätze sind. Aber wenn wir deshalb beginnen, uns selbst die Möglichkeit der Mitteilung zu nehmen, nehmen wir uns auch die Chance zukünftig überhaupt im Netz noch was zu lesen zu bekommen.

Ich verspreche, die Welt der Youtuber und Influenzier auch weiterhin in Ruhe zu lassen. 

Dort gibt es bereits Millionen Stunden an mitunter sinnbefreitem und langweiligem Filmmaterial zu finden. Und es ist ganz einfach nicht nötig, mehr Energie dafür zu verschwenden. 

Definiere dich selbst

Ich werde nur dann Videomaterial veröffentlichen, wenn es entweder um ehrliche Erfahrungswerte und Wissen gibt, oder es sich beim Material um einen kurzen Zusammenschnitt von sehenswerten Bild- und Filmmaterial handelt.

Ich verspreche, in Zukunft jeden Bericht auf die Waagschale zu legen, bevor ich ihn auf eine unserer Homepages stelle.

Ich möchte ehrliche Information zur Verfügung stellen, ohne dabei sinnlos und selbstvergessen Strom und Energie zu verprassen. Denn nein, ich bin nicht der Meinung, das es so etwas wie „grünen Strom“ auf dieser Welt überhaupt gibt. Und nein, nur weil ich liebend gerne Motorrad fahre, oder um nichts in der Welt meinen Dieselmotor gegen einen E-Antrieb tauschen würde, heißt dass noch lange nicht, dass ich skrupellos bin.

Atomkraft

Vielleicht ist es Zeit, online abzuspecken und einfach noch kritischer zu werden, welche Veröffentlichung nutzt und welche Verschwendung ist.

Und last but not least verspreche ich, niemals fake zu werden und in meine Texte KI einfließen zu lassen.

Sicherlich werden wir noch spannende Entwicklungen von KI erleben. In der Medizin, oder in der Forschung. Vielleicht in der technischen Entwicklung oder in der Arbeitsumsetzung innerhalb Produktionsbetrieben. Aber wie es derzeit aussieht nicht unbedingt im weltweiten Netz. Denn ich bin ganz einfach nicht der Meinung, datenüberladene Software mit höherer Rechenleistung als künstliche Intelligenz anzuerkennen, solange diese Software nicht zwischen Realität und Unsinn unterscheiden kann. 

Und nun werde ich den Rechner ausschalten, um draußen die Natur zu genießen, mit Familie und Freunde die Weihnachtszeit zu feiern und um mit dem Camper irgendwo in den Bergen das neue Jahr zu begrüßen.

Wir wünschen euch allen fröhliche Festtage und einen guten Rutsch!

Fröhliche Weihnachten

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