Endlich beruhigt sich die See und es wird Zeit, das Vorsegel einzuholen. Wir haben Helgøya erreicht, schlüpfen mit langsamer Fahrt durch die schmale und felsige Einfahrt von Olavsundet und finden uns in einer anderen Welt.
Die verärgerte See von Skagerrak ist ausgesperrt, die Sonne lacht und in der Luft liegt der Geruch von BBQ. Zwei Motorboote liegen am westlichen Anleger vertäut, sonst ist es ruhig. Wir lassen den Anker in der Mitte der Bucht ausrauschen, verstecken die Segel unter ihren Persenningen, schmeißen ein paar Sitzkissen ins Cockpit und lassen die in der Sonne strahlende Ruhe auf uns wirken.
Runde, von der Sonne gewärmte Felsen umgeben uns.
Dazwischen Wiesenstreifen und üppiges Gebüsch. Ein paar Nadelbäume und Birken halten sich zwischen den Felsen fest. Drei Holzstege und zwei kleine Toilettenhütten stehen an den Ufern für besuchende Bootsfahrer zur Verfügung.
Auf der Außenseite der Insel ist Ny Hellesund, ein kleines, ehemaliges Fischerdorf, das mit seinen traditionellen Holzhäusern entlang seiner Stege in der Sonne glänzt.

Die warme Brise bringt das Gebimmel von Schafsglocken bis in unsere Bucht. Keine Frage, wir sind in einem kleinen Paradies angekommen.
Zeit, die Insel genauer zu erkunden.
Am Ufer angekommen finden wir eine Infotafel und einen Weg, der über die Hügel der Insel führt. Ein Weg, der uns zu den alten Geistern der menschlichen Dummheit führt. Denn es ist der Weg zu den Bunkeranlagen. Der Weg zur Kriegsgeschichte.
Westlich von der Hafenstadt Kristiansand gelegen, war dieses kleine Inselparadies einst Schauplatz von menschlicher Anstrengung. Hundertfünfzig Kriegsgefangene wurden ab 1942 zu dieser Insel verfrachtet, um die nächsten Jahre wie die Maulwürfe zu schuften.
Eine Verteidigungsanlage für Kristiansand zu schaffen, das war der Auftrag. Die harte Arbeit, aus Granit Gänge, Tunneln, Bunker, Geschützgräben und Flugzeugabwehr-Posten zu schlagen, wurde zur täglichen Realität der hier her verschleppten.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das alte Küstenfort demoliert. Man wollte die Erinnerung an diese Zeit nicht. Doch lässt sich die Geschichte nicht auslöschen. Irgendwann besinnte man sich und kam zu dem Schluss, dass die Zeitzeugen der Geschichte nicht ungeschehen gemacht, sondern vorgezeigt werden müssen.
Und so führen uns die Wege über die Insel zu den alten Bunkeranlagen von Ny Hellesund.
Dunkle Löcher reichen tief ins Herz der Insel, jeder Felsen scheint durchbohrt, ausgehöhlt, angenagt. Wir hohlen Stirnlampen und Fotoausrüstung von Bord und machen uns auf, die dunklen Winkel des Inselparadieses zu entdecken.

Kein wärmender Sonnenstrahl dringt in die finsteren Gänge. Ein Geruch von Stein und Moder zieht durch die Bunker und ein eisiger Windhauch gibt die Illusion, von den alten Geistern des Weltkrieges in ihrer Höhle empfangen worden zu sein.
Oben stehen verrostete Flugzeugabwehr-Gewehre. Große Geschütze, mit zwei eisernen Sitzen und einem Stahlschild, das kaum groß genug war, um die armen Hunde auf dieser Kriegsmaschine vor niederprasselnden Kugeln zu schützen.
Welche kalten Schauer muss es den Menschen hier über die Rücken gebracht haben, wenn sie das monotone Summen eines näherkommenden Flugzeuges gehört haben?

Wie muss es sich angefühlt haben, für den Krieg in einer weit entfernten Heimat in diesen Löchern auf Lauer gelegen zu sein? Wie viele Stoßgebete werden die Kriegsgefangenen in ihren Himmel geschickt haben mit der Bitte, diese Zeit hier ohne Angriff überstehen zu können?

Wie würde diese Insel aussehen, wenn die Menschen vor vielen Generationen gelernt hätten, ihre Geschichte nicht nur zu betrachten, sondern von ihr zu lernen? Ich hoffe, das kleine, zerschundene Inselparadies von Helgøya hilft uns, irgendwann die Lektionen der menschlichen Dummheit zu sehen.