Nirgendwo sonst in Europa wetteifern die Naturgewalten so sehr um ihren Platz wie auf Island. Feuer, Wasser, Erde: Hier steigt Schwefel hervor, dort brodelt Wasser und da zittert die Erde.
Vor weniger als 20 Millionen Jahren begannen Vulkane im tiefen Atlantik Lava zu spucken und legten damit das Fundament für Island. Eine Insel, die bis heute zur größten Vulkaninsel der Welt gewachsen ist.
Doch nicht nur die Größe dieser Vulkaninsel ist spektakulär. Auch ihre Lage in der Arktis macht sie einzigartig, eigenwillig, bizarr.
Eine Feuerinsel am arktischen Polarkreis.
Es ist eine Insel, wo kochender Schlamm neben tausende Jahre altem Eis brodelt. Wo Gletscher schwarz vor Asche sind. Wo sich die Hitze der Erde mit der Kälte des Universums trifft.
Angekommen in den Häfen der Ost- und Nordküste, ist von all dem nur wenig zu erahnen. Es sind Fischereihäfen, in denen wir festmachen. Mal an einer Spundwand, mal an einer schwimmenden Plattform aus Beton und Holz. Mal im Trubel einer unermüdlichen Fischereiflotte, dann wieder in verschlafenen Häfen, wo die Saison schon vor langer Zeit zu Ende gegangen scheint.
Dahinter immer ein kleines Dorf. Ein paar Häuser, zwei Tankstellen, ein Dorfladen, eine kleine Kirche. Ein Hotel, das so aussieht, als wären seine besten Tage längst vorüber, hin und wieder mit Cafe und Bäckerei.
Unser erster Gang: zum öffentlichen Swimmingpool. Nicht unbedingt, weil wir verrückt danach sind, Längen zu schwimmen. In Wahrheit wollen wir uns im warmen, geothermalen Hot Tube vom letzten, kalten Segelschlag aufwärmen. Längen schwimmen wir trotzdem – nach dem Hot Tube tut eine Abkühlung in dem lauwarmen Pool gut!
Und auch wenn uns endlose Energie aus den Tiefen Islands in den Hot Tubes wärmt, so wird uns doch schnell klar:
Um Island wirklich zu sehen, bedarf es mehr, als nur an die Küste zu reisen. Und die Energie dieser Erde zu erleben, müssen wir ins Insel-Inland vordringen.
Und deshalb ist Husavik zu unserem „homebase“ geworden.
Husavik ist anders als alle bisherigen Häfen, die wir im Osten und im Norden angelaufen sind. Hier haben die Einnahmen vom Tourismus jene aus der Fischerei übertroffen. Auch wenn die Fischfabrik immer noch ein großes Gelände am Hafen besiedelt und mit dem Wind gerne mal seinen Geruch im Hafen verbreitet, sind doch nur noch wenige Fischkutter im Hafen vertäut.
Anstelle der glasfaserverstärkten Fischkutter verzücken hier im Hafen traditionelle Holzkutter. Feinsäuberlich in Schuss gehalten haben sie gerade Hauptsaison: Hauptsaison der Walbeobachtungs-Touren. Unermüdlich bringen sie täglich hunderte Touristen hinaus in die große Bucht vor der Stadt – in die Skjálfandibucht, wo sich Buckelwale, Zwergwale und Pilotwale zum Fressen treffen. Und gelegentlich soll sich sogar ein Blauwal bestaunen lassen.
Mittlerweile habe wir Sommer und Husavik ist bunt von Touristen. Sobald die Sonne rauskommt, füllen sie die Restaurantgärten und Campingplätze, überall herrscht eine fröhliche Stimmung. Alle nur denkbaren Touristen finden ihren Weg nach Husavik: Die Straßen sind gefüllt mit Mietautos, Campingvans, Wohnmobilen, Allradfahrzeugen, Motorrädern, Langstreckenfahrrädern und Expeditionsmobilen. Dazu kommen die Touristen per Tourbusse, Kreuzfahrtschiffen und natürlich wir Segler im Hafen.
Das wirklich tolle an Husavik ist, dass es im Hinterland dieser kleinen Hafenstadt einiges zu entdecken gibt.
Ungefähr fünfzig Kilometer von der Küste entfernt erreichen wir das vulkanisch geformte Gebiet von Myvatn. Ein Gebiet, das so eigenwillig wie abwechslungsreich ist. Arktische Tundra wechsel sich ab mit erstarrte Lavafelder, bunte Vulkanhänge, brodelnde Schwefelfelder. Darin ein glitzernder See voller eigenwilliger, kleiner Inseln.
Da und dort ist der Boden zu langen Schluchten zerrissen. Öffnungen im Boden führen zu Grotten, gefüllt mit leicht rauchendem Wasser.
Hier, auf dem mittelatlantischen Rücken, berühren sich die eurasische und die nordamerikanische Platte.
Sie streben unaufhörlich auseinandern. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit: Zwei bis drei Zentimeter wandern die Platten jährlich auseinander. Magna strömt dabei immer wieder nach oben und verändert das Land.
Viel auffälliger als die brodelnden Schlammlöcher und die zerrissenen Spalten in den Böden sind die aktiven Vulkane dieser Gegend. In den vergangenen Jahrhunderten erlebte man hier durchschnittlich alle fünf Jahre eine Eruption.
Die letzte Eruption von Krafla, dem Vulkansystem von Myvatn, liegt allerdings schon eine Zeit lang zurück. Sie dauerte dafür gleich ganze neun Jahre: Die Eruptionsperiode von 1975 bis 1984.
Von den vielen Kratern und Lavafeldern besuchen wir unter anderem den Explosionskrater Viti. Der runde Krater sieht aus wie aus einem Bilderbuch. In seiner Mitte spiegeln sich die Sonnenstrahlen in einem blitzblauen Kratersee. Viti ist bei einem Ausbruch vor ein paar hundert Jahren entstanden.
In Island lassen sich nicht nur Vulkane bestaunen.
Das kahle Gestein und der arktische Boden Islands sind mit unzähligen Wasserläufen durchzogen. Bäche und Schmelzwasserläufe, die sich zu großen Flüssen sammeln und tosende Wasserfälle über die Steinabhänge schicken.
Einige dieser Wasserfälle sind berühmt geworden. Zum Beispiel der Dettifoss, Europas wasserreichster Wasserfall. Andere werden in den Touristeninfos nicht erwähnt, auch wenn sie in ihrer Schönheit den Berühmtheiten um nichts nachstehen.
Hier, im Umland von Husavik, besuchen wir zwei der großen Naturgewalten Islands: das Feuer und das Wasser. Doch das dritte spektakuläre Naturschauspiel dieser Insel lassen wir heuer aus: das Eis.
Die großen Gletscher Islands bleiben für uns heuer unerreichbar, denn wir müssen die nächsten Tage nutzen, um uns für die Weiterreise vorzubereiten. Und diese Weiterfahrt wird ohnehin ins ewige Eis führen: nach Ittoqqortoormiit an die Ostküste von Grönland.
Und die Eiskarten von Grönland zeigen:
Langsam bricht der Eismantel um Ostgrönland und gibt auch den großen Scoresby Sund frei.
Und während ein paar Draufgänger bereits beim ersten Anzeichen des Eisaufbruches losziehen und die ersten erfolglosen Segler von der Eiskante wieder zurückkommen ohne es bis an Grönlands Küste geschafft zu haben, zollen wir unseren Respekt der Natur des Hohen Nordens und beobachten geduldig, wie Packeisschollen aus dem Sund gewaschen werden und das Sommerwetter langsam stabil genug für eine Segelreise wird.
Geh, warm habt ihr uns nicht gefragt, haben alle Seekarten zuhause liegen.
Genies es!!!!
LG Claudia & Fritz
Hallo Claudia und Fritz,
obwohl wir natürlich wissen, dass ihr schon längst da oben wart, haben wir daran ganricht gedacht. Zu dumm. Aber natürlich danke für das Angebot, wieder einmal eure Seekarten ausborgen zu dürfen! Aber auch ohne Karten zu holen würden wir uns wieder mal auf einen gemeinsamen Abend freuen! Liebe Grüße, Claudia und Jürgen