Ab in den Süden

Steifer Wind weht über die Magellan Straße. Weiße Schaumkronen glitzern im Sonnenlicht. Die schnell aufziehenden Sturmwolken werden den stahlblauen Himmel schon bald wieder verdecken.

Drei kleine Frachtschiffe liegen auf Reede, am Steg haben nur die beiden britischen Antarktisschiffe festgemacht. 

Zwei Touristen schießen Selfies im Wind. Sie fotografieren die großen Buchstaben „Punta Arenas“ an der Wasserfront. Daneben eine haushohe, stählerne, runde Skulptur – die Welt. Flaggen, Entdeckerbüsten, Kunst über Expeditionen und Abenteuer.

Auf der anderen Straßenseite aneinandergereihte Holzhäuser mit Geländeautos in den Einfahrten. Dazwischen die eine oder andere Blechhalle, ruhige Betriebsgelände. Acht Uhr morgens ist einfach noch zu früh, dass sich hier wirklich Leben rührt.

Ankunft in Chile
Ankunft in Chile

Alltag in Patagonien, der Geruch nach Abenteuer für uns.

Bereits beim Einreisen in Santiago de Chile bestach uns die Alltäglichkeit Antarktis: „Si, claro“ meinte der Immigrationsoffizier auf unsere Erklärung bezüglich unserer geplanten Weiterreise nur. Als wäre es das Normalste auf der Welt, als nächsten Reisestopp die Antarktis zu haben.

Sonnenaufgang über den Wolken

Unsere Nacht war kurz. Völlig gerädert sind wir um zwei Uhr morgens hier angekommen. Sind seit zwei Tagen unterwegs und haben bereits drei Flüge und unzählige Wartestunden hinter uns. Nach ein paar Stunden in einer Cabaña, einer privaten Pension und einer heißen Dusche ist die letzte Strecke unserer Anreise allerdings wieder etwas leichter. Und mittlerweile sitzen wir wieder im Taxi zum Flughafen, am Weg zu unserem letzten und spannendsten Flug.

Noch ein paar Pesos fürs Übergepäcks bezahlen, dann marschieren wir hinaus aufs Rollfeld.

Vor uns steht eine kleine Twin-Otter aus den siebziger Jahren.

Flug zum Ende der Welt
Das Flugzeug zum Ende der Welt!

Davor steht ein Buschpilot wie aus einem Film: schwarze Haare, Sonnenbrille, lederne Fliegerjacke. Er heißt uns willkommen und erklärt, dass wir planmäßig starten können. Das Wetter in Puerto Williams – unserem Ziel – sei zwar trübe, außerdem schneit es dort, aber das ist ja normal. Der Flug sollte etwas turbulent werden, aber im großen und ganzen problemlos verlaufen. Dann jagt er die beiden Propellermaschinen auf Drehzahl und damit versinkt jedes weitere Gespräch im gleichmäßigen Dröhnen.

Flug Puerto Williams
Im kleinen Twin-Otter gehts nach Puerto Williams

Wir heben ab über die Wolkendecke, Feuerland können wir ab sofort nur noch am Bildschirm des Naviprogramms im Cockpit sehen. Denn eine Tür zum Pilotencockpit gibt es in der alten Twin-Otter nicht und so bleiben die Fluginstrumente auch für uns in Sicht.

Irgendwann ändert sich das Geräusch, unser Pilot hat den Landeanflug eingeleitet. Gespannt warte ich darauf, durch die Wolkendecke zu gelangen. Die letzten Wolkenfetzen verfliegen, dunkel schimmert der Beaglekanal unter uns. Wir sehen Buchten, kleine Felseninseln. Entdecken Ushuaia, ziehen einen Kreis knapp über dem Kanal.

Dann kommt die Bucht von Williams in Sicht.

Zwei Kreuzfahrtschiffe liegen vor Anker, drei Yachten an Bojen. Wie seit Jahrzehnten liegt Micalvi starr im Yachthafen. Genauer gesagt, sie ist der Hafen: Vor Jahrzehnten hier auf Grund gesetzt ist sie Anleger für Yachten und Hafenlokal für chilenische Offiziere gleichzeitig.

An ihrer Seite wartet auch die SANTA MARIA AUSTRALIS auf uns.

Auf der kleinen Halbinsel direkt neben dem Hafen setzten wir zur Landung an. Wolf und Jeannete warten bereits neben der Rollbahn auf uns, haben die Teilnehmer des letzten Kap Horn Törns mitgebracht. Allesamt Österreicher, bei deren heimatlichen Club wir noch letzte Woche einen Vortrag zeigen durften. Ein beinahe „fliegender Wechsel“: Wir steigen aus dem Flugzeug, die Österreicher steigen zum langen Heimflug ein. Schade, wir wären gerne mit ihnen gemeinsam gesegelt.

Santa Maria Australis in Puerto Williams
Santa Maria Australis wartet längsseits der Micalvi auf uns!

An Bord von SANTA MARIA AUSTRALIS gehts geschäftig zu, die Yacht muss neu verholt werden. Eine große Charteryacht arbeitet sich gerade aus dem Parket an Yachten heraus, wir lassen unsere Taschen stehen und greifen zu den Trossen . Helfen mit, während wir uns freuen, soviel bekannte Gesichter zu sehen. Jan, Crew der letzten Fahrten der SMA, haben wir vor Jahren in der Südsee kennengelernt, als er mit seinem eigenen kleinen Bötchen um die Welt segelte.

An der Bugleine steht Mark, der erfahrene holländische Eispilot und Extremsegler ist ebenfalls ein alter Bekannter, wir haben ihn und Carol vor Jahren hier in Patagonien kennengelernt. Dazumal ankerte JONATHAN neben unserer LA BELLE EPOQUE. Heute liegt sie längsseits von SANTA MARIA AUSTRALIS und so wird mit dem Verholen der Yachten zusammengeholfen. Carol überlegt kurz, woher sie uns kennt, wie üblich hilft unser Bootsname sofort auf die Sprünge. Unter Segler erinnert man sich eben an Boote und deren Namen besser als an Gesichter! 

Außen am Paket liegt außerdem die SARAH VORWERK, sie haben wir zuletzt in der antarktischen Bucht Enterprise gesehen. 

Mit Jeannete und Wolf zusammenzusitzen fühlt sich an, als wären wir nie weg gewesen.

Wir tratschen über alle Neuigkeiten aus der Antarktis und seinen Seglern, über Bootstechnik und Zukunftspläne. 

Nur die Antarktis bereitet uns Sorgen. Erfahren wir doch, dass sich eine unaufhaltsame Bedrohung auf den Weg in den Süden aufgemacht hat. Die Vogelkrippe ist ausgebrochen, in Südamerika sind bereits unzählige Vögel und Wildtiere verendet. 

Aber die Krankheit hat an den Wellen des antarktischen Ozeans nicht halt gemacht. Mit dem Frühling sind die Seevögel in Südgeorgien angekommen – und mit ihnen die für Vögel tödliche Krankheit. Tausende Pinguine, Albatrosse und andere arktische Vögel sollen bereits verstorben sein. Und selbst die Pelzrobben sterben in Massen. Für Kreuzfahrer und Besucher ist die antarktische Insel bereits gesperrt.

Antarktis
Wir hoffen, unseren gefiederten Freunden gehts gut!

Noch liegt die Antarktis in ihrem Eis, noch sind die Seevögel dieses Frühjahr nicht bis an den eisigen Kontinent vorgedrungen.

Doch kann es sich nur noch im Wochen handeln, bis der natürliche Rhythmus des Lebens auch dort aus dem Winter erwacht. Ich bange schon jetzt um das Leben meiner kleinen drolligen Freunde der Eselspinguine. Wir werden sehen, was die nächsten Wochen zeigen werden.

Im Motorraum
Jürgen verschwindet im Motorraum der SMA

Die nächsten Tage aber werden wir damit verbringen, die SAM auf ihre kommenden drei Antarktisreisen vorzubereiten. Und währen Jürgen und Jan im Motorraum für anstehende Servicearbeiten verschwinden, arbeiten Wolf und ich uns durch die Proviantfächer und Staulisten.

Proviantieren
Erstes Proviantieren!

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