Es ist November 2017. Ich sitze über den Klippen von Westpoint.
Eine kleine, windzerzauste Insel der Falklandinseln, ziemlich nahe am Ende der Welt. Leicht war es nicht, hierher zu kommen. Aber wäre es nicht ohnehin ein wenig vermessen zu glauben, dass es leicht ist, bis ans Ende der Welt zu reisen?
Meine Reise hierher ist mehr und mehr zur Zeitreise geworden.
Denn ich bin gereist wie die alten Seefahrer: unter Segel. Monate habe ich auf den Ozeanen verbracht, habe mir viele Seemeilen, die wir näher an Kap Horn gekommen sind, erkämpft. In unseren Seekarten habe ich unzählige Notizen von Wracks gefunden. Einst stolze Frachtsegelschiffe, die hier ihr nasses Grab gefunden haben. Hier, am Ende der Welt, wo der größte Schiffsfriedhof der Geschichte der Frachtsegler liegt.
In Gedenken all dieser Seeleute, die hier ihr Leben gelassen haben, haben wir zu zweit und im kleinen Segelboot ihre Routen durch Patagonien und über die notorische Drakepassage nachgesteuert. Und wir haben die strömungsreiche Le-Maire-Straße durchquert. Doch auch wenn wir über lange Passagen keine Menschen sahen, waren wir doch niemals alleine. Denn sie haben uns begleitet – die beeindruckendsten Segelflugkünstler der Welt:
Die Albatrosse
Hunderte Seemeilen von Land entfernt spielten sie mit Wind und Wellen um unser Boot. Im Gleitflug drehten sie Runden, manchmal für eine halbe Stunde und länger ohne einem einzigen Flügelschlag.
Lange schon kann ich den Eindruck nicht verweigern, Beobachter etwas ganz besonderem zu sein. Nun verstehe ich, weshalb die Albatrosse in der Seefahrt immer schon einen besonderen Stellenwert bekommen haben, warum sie als die Seelen der verschollenen Seefahrer gelten. Es ist ihre friedliche Begleitung, die uns das Gefühl gibt, nicht mehr alleine am Ozean zu sein.
Und deshalb sind wir nun hierher gekommen. Hoch über die Vogelklippen von Westpoint, wo die Schwarzbrauen-Albatrosse in friedlicher Eintracht mit den Felsenspringer-Pinguinen ihre Nester bauen.
Vorsichtig, ganz vorsichtig sind wir die Felsen hochgestiegen. Haben uns abseits der Brutkolonie im kniehohen Gras im gehörigen Abstand ganz klein gemacht. Wir wollen die brütenden Vögel auf keinen Fall stören. Und während ich am Boden sitze, mein Auge am Sucher, meine Hände auf meiner treuen Kamera auf ihrem Stativ knapp über dem Gras, da raschelt es plötzlich dicht neben mir.
Wenn du nicht näher kommst, dann muss eben ich nachsehen!
Oder so muss der neugierige Albatross wohl gedacht haben, bevor er sich direkt vor meinem Objektiv in Pose dreht und mit in die Augen sieht.
Ich hab den Segen der alten Seefahrer bekommen und werde nicht hierbleiben, um für immer über die Wellen zu fliegen. Meine Segelreise bis nach Hause ist eine glückliche!