Im Fluss

Die neuen Lichtmaschinen sind eingebaut, alle Schapps gefüllt und wir sind mehr als bereit. Der gesperrte Bereich am Main liegt laut Internet noch zwei Schleusen weiter und so gibt es keinen Grund, länger in Höchst zu bleiben.

Wenige Kilometer weiter erreichen wir die nächste von unzähligen Schleusen am Main. Verschlafen meldet sich der Schleusenwart, es scheint, er hat heute mit keinem Schiff gerechnet. Prompt bereitet er die Schleusenkammer für uns vor, wir fahren ein. Doch dann heißt es doch noch warten. Ein zweites Sportboot hat sich telefonisch bei der Schleuse gemeldet und sollte in 10 Minuten hier sein. Na, da warten wir doch gerne.

Motorboot am Main in Frankfurt
Durch Frankfurt am Main gehts in Begleitung. Gemeinsam fahren wir bis Aschaffenburg weiter.

Ein guter Zufall. Denn wir bleiben den restlichen Tag beisammen, um die nächsten Schleusen gemeinsam zu bestreiten. Ein echter Glücksfall für uns, erfahren wir doch von den netten Bootsfahrern, dass sie das ok der Schleusen bis Aschaffenburg haben. Und das, obwohl die letzte Schleuse vor Aschaffenburg laut Internet gesperrt sein sollte. Wir können es nicht recht glauben, aber versuchen kann man´s ja!

Die Motorbootcrew behält recht. Nach einem gemütlichen Fahrtag und fünf absolvierte Schleusen am Main laufen auch wir im Flößerhafen von Aschaffenburg ein.

Weiter als zur zweiten Stegreihe im Hafen kommen wir nicht, schon sitzen wir im Schlick fest. Mit Ach und Weh und 2 x 150 PS geht´s dann doch und wir begnügen uns mit einem Yachtclub ohne Duschen und WC, dafür mit Strom und 5cm Wasser unterm Kiel.

Noch bevor der Hafenmeister da ist, steckt schon unser Stromkabel und die Standheizung läuft auf Hochtouren. Immer noch beißt uns ein eisiger Wind und ich glaube, mir war seit der letzten Antarktisfahrt nicht mehr so kalt. 

Und ich glaube, derzeit habe ich genug von Kälte!

Aschaffenburg
Trotz trüben Wetter schlendern wir durch Aschaffenburg

Der gut gelaunt Hafenmeister entschuldigt sich für die noch nicht geöffneten Duschen, versichert uns, uns bei Bedarf mit seinem Boot von der Sandbank zu holen und kassiert ein paar Euro weniger. Winterpreis, sozusagen. Schade dass wir keine Zeit für einen gemeinsamen Drink am Abend haben werden. Aber heute kommt Besuch. 

Noch viel Besser als Bier mit dem Hafenmeister wird dann der gemeinsame Abend mit spontan eingetrudelter Schwester samt Schwager und Hund. Stilvoll genießen wir den nächsten Tag nicht bei fränkischen Weinbauern, sondern am Hamburger Fischmarkt – am Marktplatz von Aschaffenburg. 

Ein Abstecher per Auto nach Miltenberg holt uns zurück von Fischköpfen und türkischen Honig zu Fachwerk und Brezen. Dann ist das gemeinsame Wochenende auch schon vorüber und wir sind wieder alleine in der freien Wildbahn.

Miltenberg
Unser erster Abstecher nach Miltenberg ist mit dem Auto, aber bald schon werden wir die „Perle am Main“ vom Wasser aus erreichen.

Oder genauer gesagt, wir warten vor Anker im Unterwasser der Schleuse Obernau auf das Ende der Schleusenwartungsarbeiten. Übermorgen Nachmittag sollte auch diese Schleuse öffnen und die Strecke bis zum Main-Donau-Kanal endlich frei sein.

Einstweilen erledigen wir kleine Handgriffe an Bord und fühlen uns schon richtig heimelig auf unserem Binnenkisterl ANGELA K.

Zwei Tage später hören wir bereits am Vormittag die Geräusche von Schiffschrauben. Die Schleusentore gehen auf und zeigen grünes Licht. 

Schlagartig ist es vorbei mit der Ruhe. Ich lass in der Pantry alles liegen und stehen und springe zum Funkgerät, bitte den Schleusenwärter, uns mitzunehmen. Gleichzeitig stürmt Jürgen zur Ankerwinde, ich starte die beiden Motoren.

‚Was dauert da so lange, die Schifffahrt wartet schon!‘ Tönt es keine zwei Minuten später aus dem Funkgerät. Der Anker geht an Deck, ich gebe Stoff. Kein Unmut, wir sind ja schon da!

Der Grund für diesen Stress zeigt sich spätestens nach der Schleusung als unbegründet. Der Frachter, der wegen uns zwei Minuten an diesem Vormittag verloren hat, macht im Schleusenvorhafen im Oberwasser für den restlichen Tag fest!

Wir allerdings haben heute noch eine Verabredung. Unsere Freunde sind bereits per Camper samt Bootsanhänger mit Boot auf der Straße unterwegs.

In Miltenberg werden wir uns treffen, um von dort an die Flussfahrt in Begleitung von Thomas fortzusetzen.

Mit jedem Kilometer wird das deutsche Land schöner. Zwischen Weinbergen geht´s vorbei an kleinen Burgen und hübschen Fachwerkhöfen. Immer noch ist der Wind empfindlich kalt, aber zumindest sieht schon öfter die Sonne raus.

Die Sonne steht schon etwas tiefer, wir erreichen Miltenberg. Was für ein wunderbares Licht, was für eine tolle Stimmung in der „Perle am Main“. Aber heute hab ich keine Muse für eine Fototour, heute wird wiedersehen gefeiert. 

Thomas wird uns von hier an mit seinem Boot nach Hause begleiten

Gemeinsam mit Kerstin, Hannah und Thomas verbringen wir den fröhlichen Abend am Anleger von Miltenberg und ich verschiebe meine Fototour auf den frühen Morgen. Freu mich drauf, die kleine Stadt im Licht der aufgehenden Sonne zu sehen und den Ausflug gleich noch mit Brötchendienst fürs Frühstück zu verbinden. 

Aber ich hab die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Während ich am nächsten Morgen um halb sechs Uhr durch die menschenleeren Gassen schländere, ärgere ich mich über die unzähligen Mülltonnen und den Sperrmüll, der überall meinen schönen Stadtfotos im Weg liegt und steht. Heute ist offensichtlich Mülltag, und die fleißigen Bürger haben schon gestern Abend alles Unnütze auf die Straße geräumt. Frische Brötchen gibts aber trotzdem.

Morgenspaziergang Miltenberg
Recht ergiebig ist mein morgendlicher Foto-Spaziergang in Miltenberg nicht, aber zu einem Foto hat es dennoch gereicht!

Nach einem langen Frühstück verabschieden sich Kerstin und Hannah von uns. Die beiden werden mit dem Camper und den nun leeren Bootshänger zurück nach Österreich reisen.

Mittlerweile sind wir am Anleger nicht mehr alleine.

Die Bayern Matthias und Franz liegen mit ihrer großen Prinzess neben uns. Matthias hat den zweimotorigen Halbgleiter ebenfalls in Wiesbaden gekauft und nun sind sie genauso wie wir auf Heimreise.

Ihre Geschichte ist intensiev: Franz und Matthias haben sich auf Reha kennengelernt. Der eine nach einem schweren Schlaganfall, der andere querschnittgelähmt nach einem Sturz vom Dach. Gemeinsam haben sie entschieden, das Leben immer noch bei den Hörnern zu packen und sich zu leisten, worauf sie Lust haben. Und diese gemeinsame Flussreise ist wohl Teil von dieser Lebenslust. 

Alleine sind die beiden auf ihrem Motorboot nicht: Ich fall vor Schrecken fast vom Boot, als plötzlich eine weiße Ratte aus dem Halsausschnitt von Matthias´s Pulover blickt. Na ja, jetzt weiß ich wenigstens, warum´s hier so nach Nager mieft …

Matthias und Franz auf der Prinzess
Matthias und Franz am gemeinsamen Bootsabenteuer

Den kommenden Tag geben wir ein lustiges Trio ab: Thomas kämpft mit seinem leichtfüßigen und kleinem ROTEN OKTOBER bei jeder Welle um ein bisschen Kursstabilität, während Matthias, Franz und Ratte auf CONDOR immer wieder mal Gas geben und den Bug ihres Halbgleiter aus dem Wasser heben. Und wir auf ANGELA K laufen gemächlich dahin, bremsen den ganzen Konvoi und wollen gar nicht anders. Wieso auch, sind wir doch auf einer ehrlichen und einfach nur liebenswürdigen „alten Diva“ unterwegs.

Länger als einen Tag kann die CONDOR allerdings nicht bei uns bleiben, das Reha-Team hat nur wenige Tage Zeit, ihren Neuerwerb nach Innzell an der Donau zu schaffen. Und bis dahin sind es noch viele Kilometer. 

So sind wir bald wieder zu dritt unterwegs. Unterwegs auf einem unglaublich schönen Main mit unglaublich wenig passenden Anlegemöglichkeiten. 

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