Strömungen, Schafe und Serpentinen

Selten ist Strömung so angenehm wie in diesem Moment. Die Segeln hängen an den Masten, die leichte Brise ist kaum noch zu spüren. Die Sonne spiegelt auf dem glatten Wasser. La Belle Epoque treibt wie von Geisterhand mit drei Knoten an den Inseln Hestur und Koltur vorüber. Wir haben die Gezeitenströmung richtig kalkuliert. Keine große Kunst, verwenden wir doch das neue Strömungs-App der Faeroer.

Die Strömung schiebt uns gemächlich zwischen den Inseln der Färöer durch.

Träge genießen wir die Sonnenstrahlen, beobachten die Eissturmvögel und Papageientaucher, bewundern die einsamen Farmen in den tiefen, grünen Tälern entlang der Ufer.

Am Steg von Vestmanna auf den Färöer Inseln erwachen wir aus der gemütlichen Trägheit. 

Die Motorräder müssen aus ihrer Buggarage gehoben und für morgen zusammengebaut werden. 

Morgen soll noch einmal die Sonne scheinen und solche Tage dürfen auf den Færø Inseln nicht ungenützt verstreichen!

Mittlerweile sitzen die Handgriffe: Jürgen löst ein sorgsam verzurrtes Motorrad in der Bugkabine, ich reiche im ein Fall hinunter, und arbeite an der Winde, sobald das Motorrad daran festgeschäkelt ist. Zentimeter für Zentimeter kommt Jürgens kleines Trialbike hoch und baumelt bald schon über Deck. Jürgen baut die Vordergabel ein, während ich den hinteren Kotflügel und die Nummerntafel anschraube. Zwanzig Minuten später steht das Bike fertig am Pier, während wir meine Beta langsam aus ihrer schwimmenden Garage heben.

Eine kleine Runde hoch über Vestmanna geht sich noch aus, doch ist die alte Schotterstraße zum Staudamm mittlerweile asphaltiert. Hier und dort biegen wir in kleine Schotterstraßen ein, doch immer wieder enden wir an einem Wanderweg, dessen unwegsames Gelände meine Trialkünste ganz einfach übersteigen. Steilhänge, große Felsbrocken, rutschige Wasserläufe. Für einen geübten Trialfahrer sicherlich ein Paradies!

Klippen der Färöer Inseln

Egal, die Aussicht lohnt auch das Fahren auf Asphalt. 

Ein Land, das mit seiner Urtümlichkeit besticht. Baumlos, zerklüftet von Canyons, überseht mit Felsen, die den Eindruck machen, von einem Riesen achtlos verstreut worden zu sein. Alte Vulkane, die mit weichen Moos und Gräsern überwuchert sind. Wo alte Häuser nur noch von Schafen bewohnt werden und wo sich auf den wenigen Quatratmetern voraus mehr Bachläufe durch das Gestein schneiden, als man zählen kann.

Ein Land, das so wild und eingewilligt ist, wie seine Küsten steil sind.

Am folgenden morgen packen wir uns erst einmal zusammen: Skiunterwäsche, Fleccepulover und warmes Innenfutter unter dem Endurodress, ein Rucksack mit Fotoausrüstung und Snacks, der zweite Rucksack mit extra Benzin und Zweitacktöl. Joker ziehen, ein Kick, gut, vielleicht ein zweiter. Ein letzter Blick auf die Karte und es geht los.

Nur ein kurzes Stück geht es über die neue Inselhauptstrasse.

Wo immer möglich, biegen wir auf kleine Nebenstraßen ein. Fahren Umwege, landen absichtlich in Sackgassen und bestaunen die winzigen Siedlungen.

Allerdings lässt sich die Hauptstraße nicht überall ausweichen, und ein kurzes Stück müssen wir sogar durch einen Tunnel fahren. Mir bleibt das Herz fast stehen, als genau im Tunnel mein Licht wieder einmal ausfällt. Die schwache Beleuchtung im Tunnel kombiniert mit meinen getönten Motogrossbrillen lässt mich fast im Dunklen tappen. Während die Knie zu zittern beginnen beim Gedanken, dass mich nachkommende Autos oder LKWs mit Sicherheit zu spät erblicken. Aber Umdrehen bringt nichts, ich rücke Jürgen so dicht als möglich auf und hoffe, das sein Rücklicht uns beide schützt.

Nach dem Tunnel bleiben wir stehen, bis sich mein Herzschlag wieder beruhigt.

Auf der alten Verbindungsstraße geht es weiter. Als Ziel haben wir uns die alte Radarstation auf einem der höchsten Gipfel der Insel gesteckt. Nicht nur der Aussicht wegen.

Nach einem ersten steilen Anstieg biegen wir rechts ein. 

Trial Wandern Färöer Inseln
Wir finden eine schlecht präparierte Schotterpiste. Optimal!

Vor uns windet sich eine traumhaft schlecht präparierte Schotterpiste entlang des Berghangs.

Kilometer für Kilometer klettern die Wandertrials über die Steine, überqueren saichte Wasserläufe und rutschen durch nasse Schlammlöcher. Hier und dort beobachten uns ein paar Schafe mistrauisch. Auf den Basaltklippen hoch über uns landen die Sturmvögel in noch so kleine Felsnieschen.

Dann erreichen wir das Ende der Piste. Tief unter uns öffnet sich ein einsames Tal, bevor die Felsen senkrecht in den Atlantik abfallen. Wir stellen die Motorräder ab und setzen uns auf einen Stein.

Einsame Ruhe fesselt uns in ihrer Weite. Der kalte Wind treibt weiße Wolkenfetzen über die Hänge. Zwei Austerntaucher zanken sich auf einem Felsen.

Austerntaucher
Die Austerntaucher sind die Nationalvögel der Färöer Inseln

Nur die Schafe bleiben unbeeindruckt.

Zurück auf der Schotterpiste treffen wir auf eine Gruppe Wanderer. Auch sie sind unterwegs zu unserem traumhaften Aussichtspunkt.

Wir biegen zwischenzeitlich wieder auf die schmale Straße zur Radarstation am Gipfel des Berges ein. Oben bläst ein eisiger Wind, die letzten Meter bis zur militärischen Anlage sind für die Öffentlichkeit gesperrt, aber auch nicht wirklich interessant.

Viel interessanter ist der flache Hang darunter, auf dem wir unzählige Spuren von Offroad-Fahrzeugen finden. Eine kleine, feine Spielwiese vor grandioser Landschaft.

Trialwandern Färöer Inseln
Spaß hoch über den Sunden

Am frühen Abend sind wir zurück beim Boot. 

Gerade rechtzeitig, um die Motorräder zurück ins Boot zu packen und uns mit einer kurzen Dusche aufzuwärmen, bevor Olav neben dem Boot steht um uns zum Abendessen abzuholen.

Zehn Jahre ist es her, seit wir ihn auf unserer ersten Reise zu den Færø Inslen kennengelernt haben. Doch hat er den Kontakt mit uns nie abgebrochen und wir fühlen uns, als wären wir erst gestern bei ihm und Bergfried am Tisch gesessen.

Wieder bin ich von der Wertschätzung, die die Faeroer den Lebensmitteln am Tisch entgegenbringen, eingenommen. 

Am reich gedeckten Tisch ist es Sitte, nur kleine Happen auf den Teller zu geben. Jeder nimmt sich von den Platten am Tisch so lange nach, bis der Magen gefüllt und der Appetit gestillt ist. Alle Lebensmittel, die nicht gegessen werden, können zurück in den Kühlschrank gepackt werden und nichts wird verschwendet. Schade, dass nicht überall auf der Welt diese Sorgfalt der Nahrung gegenüber gebracht wird.

Natürlich drehen sich unsere Gespräche am Tisch wieder einmal übers Meer: der Schifffahrt und den unzähligen Erlebnissen, die Olav in seinem Leben als Schiffskoch und Fischer und wir auf unseren Segelreisen erlebt haben. Der alten Werft und dem Kutter, der dort auf seine Abwrackung wartet.

Werft
Der Versuch, den alten Kutter am Schlitten zu reparieren hat fehl geschlagen. Nun wartet er auf seine Abwrackung. Schade!

Auch am folgenden Regentag werden wir noch lange gemeinsam an Bord beim Kaffee sitzen und tratschen.

Es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Bleibt gesund und fröhlich. Hoffentlich bis zum nächsten Mal! Zum Abschied schenkt mir Olav ein selbst gefertigtes Schmuckstück aus Horn: Das Ruder eines Wikingerschiffes. Nun kann ich nie mehr verloren gehen und immer meinen Weg nach Hause steuern.

Wir segeln entlang der nordwestlichen Küste von Streymoy. 

Mit unbeschreiblicher Kraft nagt der Nordatlantik seit Anbeginn der Færøer Zeit an diesen Vulkanfelsen. Regelmäßig trifft hier die wütende Sturmsee auf jene Felsen, die es gewagt haben, sich aus dem Meer zu erheben. 

Vögelfelsen Färöer
Die Westküste der Färöer Inseln

Übrig geblieben sind himmelhohe, senkrechte, Klippen. Dunkel leuchten sie im Sonnenlicht, fangen tiefliegende Wolken an ihren Hängen. Nistende Seevögel haben ihre weißen Spuren an ihnen hinterlassen. 

Sturmvögel, Papageientaucher, Tölpel, Lummen, Seetaucher, Eissturmvögel, arktische Raubmöwen, Seeschwalben, Möwen, Alke, Sturmtaucher. Um nur einige der über dreihundert Vogelarten dieser eigenwilligen Inseln zu nennen.

In Ei∂i finden wir einen bequemen Platz am Schwimmsteg. Wir wandern über die Klippen, versuchen erfolglos, ein paar Höhlen tief unter uns zu erreichen. Zu steil sind die Klippen, die Höhlen bleiben maximal per Dingi oder Kajak erreichbar.

Der Wetterbericht zeigt: Wir müssen noch einen Tag warten, bevor wir zu unserer Segelreise nach Island aufbrechen können.

Zeit genug, um die Mopeds noch einmal aus ihrer Koje zu hohlen.

Einspurige Serpentinen führen uns hoch über die Berge bis zu den bisher schönsten Küstendörfern. Schmale Traumstraßen, die eine Handvoll Motorradfahrern aus ganz Europa angelockt haben. Auch einige Campervans mit verschiedenen Kennzeichen kreuzen unseren Weg. Vermutlich sind sie per Fähre auf den Weg nach Island, und haben einen mehrtägigen Zwischenstopp auf dieser Inselgruppe eingelegt.

Serpentinen Färöer Inseln
Die alten Straßen der Färöer Inseln machen Spaß zu befahren.

Warum auch nicht. Die Færø Inseln sind einfach zu befahren. Lange Unterseetunneln verbinden die einzelnen Inseln, die alten Dorfstraßen geben fahrenden Touristen eine unvergleichliche Abwechslung zu den neu ausgebauten Schnellstraßen.

Dörfer mit grasgedeckten Holzkirchen und winzigen Häfen, die bereits von den Wikingern verwendet wurden, wechseln sich mit weiten, unbewohnten Weideland ab. 

Eine Landschaft, die genauso eigentümlich wie ihre Sagen und Geschichten anmutet.

Geschichten über eine Robbenfrau, die sich in einen Menschen verliebt hatte und doch wieder zurück in ihr nasses Zuhause ziehen musste. Über Meermänner, die zum Spaß den Fischern den Köder von der Angel stahlen, von Trollen und Elfen, die in Steinen und Höhlen leben. Geschichten von Piratenschiffen, die von guten Hexen zu Stein verwandelt wurden, noch bevor sie Schaden anrichten konnten, und von einer Riesin und ihrem Gefährten, die die Inseln mit ihren schweren Trossen nachhause nach Island schleppen wollten, seither aber als Felsblöcke ihr Dasein vor der Küste fristen.

Wikingerhafen
Wir bestaunen die alten Häfen der Färöer Inseln. Sie haben ihre Boote stets aus dem Wasser gezogen.

Zurück an Bord packen wir zum letzten Mal auf dieser Insel unsere Wandertrials zurück an Bord. Es wird Zeit, weiterzuziehen. Morgen, um sechs Uhr früh, werden wir erneut in See stechen. Nächstes Ziel: Island

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