Wetter, Wurst und Planänderungen

Seit Tagen dreht sich unsere Welt um Wetterdaten. Zwar liegen nur lausige 280 Seemeilen vor uns, aber derzeit sind diese nicht ohne Prügel zu schaffen. Und darauf habe ich nun wirklich keine Lust.

Ständig laden wir neue Wettervorhersagen runter. Versuchen, den optimalen Zeitpunkt für einen Segeltörn zu den Orkneyinseln zu finden. Immer mit dem selben Ergebnis: Derzeit gibt es keinen optimalen Zeitpunkt, kein gutes Wetterfenster.

Frühlingswetter Nordsee
Ein Tief nach dem anderen zieht über den Nordatlantik in die Nordsee. Alles andere als optimale Wetterbedingungen für den Segeltörn nach Schottland.

Wir versuchen es mit Schönreden: Übermorgen ist die Etappe möglich, wenn wir zwischendurch einen halben Tag beidrehen. Oder am Donnerstag. Dann könnte es gehen, wenn wir Starkwind beim Ablegen in Kauf nehmen. Eventuell ginge es am kommenden Samstag, wenn wir den Sonntag unter Motor durch die Flaute schieben und es so mit Ach-und-Bauchweh vor der nächsten 8 aus West bis Kirkwall schaffen. Oder,…

Ehrlich jetzt? 

Sicher, wir waren schon in schlechteren Bedingungen unterwegs. Klar, wir wissen, dass LA BELLE EPOQUE auch Prügel gut wegstecken kann. Aber ist das Grund genug, in der Nordsee hart gegen stürmischen Wind zu laufen? Zwischen Ölplattformen und Verkehr bei kurzer, steiler See zu kreuzen?

Küste Norwegen
Die Nordseeküste von Norwegen bei ungemütlicher See zu verlassen ist nicht unbedingt die beste Idee.

Und dann? Bei Sturm und Regen auf den Orkneyinseln zu liegen? Die Tage an Bord gesperrt verbringen, um bei 50 Knoten Wind Ankerwache zu fahren?

Seit Wochen werden die schottischen Hybriden und Westirland von einem Tief nach dem anderen heimgesucht. Die schottischen Orkneyinseln zu erreichen heißt doch nur, weiterhin in Schlechtwetter gefangen zu sein.

Vor lauter Wetterplanung übersehen wir fast den schönen Frühling in Norwegen.

Die Tage sind lange geworden, die Sonne spiegelt sich in den dunkelblauen Buchten. Das Wollgras wiegt sich im sanften Wind und überall strecken kleine Blümchen ihre Köpfe zwischen den Granitbuckeln in die Höhe.

Wollgras
Das Wollgras wiegt sich im lauen Frühlingswind.

Ich habe genug davon, nur noch übers Wetter nachzudenken und betrachte die Straßenkarten. Wer weiß, vielleicht gibt es den kostenlosen Anleger in Hellvik noch. Dort könnten wir in aller Ruhe die Motorräder auspacken und sogar bis zum Lysefjord fahren. Wie traumhaft schön wäre das denn?

Noch geben wir den Reiseplan, über Schottland und Irland in den Süden zu segeln, nicht ganz auf. Aber ein paar Tage Pause vom Wetterrouting ist dringend nötig.

Am Pier in Hellvik lernen wir die Nachbarn kennen und dürfen sogar mit ihren Gartenschlauch unsere Wassertanks füllen. Dann gehts zu ausgedehnten Motorradtouren ins Inland. Wir ziehen auf einspurigen Straßen bei hübschen Bauernhöfen vorbei, erreichen kleine „Hyttas“ an tiefen Bergseen und rollen bis in die kahle Bergwelt beim Fjord.

Motorradtour zum Kjerak, Norwegen
Motorradtour zum Kjerak.

Wir tauchen ein in die abwechslungsreiche Landschaft von Westnorwegen.

In kleinen Dorfgeschäften kaufen wir etwas Gebäck und Jause, um an einsamen Flussufern zu picknicken. Am Kjerak parken wir die Motorräder und wandern über das Gestein, erhaschen einen Ausblick über den ruhig daliegenden Lyseboten.

Anschließend besuchen wir die Leuchttürme der Küste.

Leuchtturm Kvassheim
Am Leuchtturm Kvassheim entlang der Küste

Abends kehren wir zurück nach Hellvik, wo LA BELLE geduldig auf uns wartet. Dann heizen wir den Dieselofen ein und kochen herzhafte Salamipizza, deftiges Wurstgröstel oder mit Käse überbackene Speckspätzle. Denn wir haben eine Mission. Sie lautet: Die Wurst muss weg!

Eine Schande, aber zum ersten Mal in unseren vielen Jahren Fahrtensegeln habe ich einen groben Fehler beim Proviantieren gemacht! Ich habe vergessen, die Einreisebestimmungen kommender Nationen vorab zu lesen. 

Nun habe ich den Salat, oder besser gesagt das Wurstproblem! 

Noch in Deutschland und Österreich haben wir Speck und Hartwürste für die Reise eingekauft. Goodies, die uns die kommenden Monate verfeinern sollten. Mit dem guten Vorsatz, knausrig damit umzugehen: Hin und da ein Stückchen Speck zu braten, um den Spätzle eine feine Note zu verleihen. Oder Jürgen mal zu verzücken, indem ich eine Kaminwurzerl zum Abendessen rausrücke, eine Salamipizza auf den Tisch zaubere oder ein Stück Mettwurst in die Krautfleckerl schneide.

Und nun müssen wir all diese Leckereien auf einmal essen. Denn in Europa ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen. 

Maul- und Klauenseuche, was hat das mit der Seefahrt zu tun? Ganz einfach: Großbritannien hat Einfuhrstopp. Fleisch, Wurst, Milch und Milchprodukte dürfen auch am Segelboot nicht aus Europa mitgebracht werden.

Als Bauernkind finde ich es löblich, wenn ein Land seine eigene Landwirtschaft schützt. Klar, dass auch wir uns an diese Auflagen halten. Ich bin nur etwas auf mich selbst sauer: Hätte ich die Einfuhrbestimmungen nicht vorm Proviantieren lesen können, so wie es gute Praxis auf Blauwasseryachten ist?

Sei es wie es sei, wegschmeißen kommt genauso wenig in Frage wie schmuggeln und deshalb essen wir nun Wurst und Käse wie die Weltmeister!

Die Tage verlaufen ineinander.

Alle paar Tage ändere ich unseren voraussichtlichen „Voyage plan“, die Anmeldung unserer Reise beim britischen Zoll. Immer noch zieht ein Tief nach dem anderen in die Nordsee.

Dann packen wir die Motorräder in ihre Buggarage, tümpeln ein wenig in Egersund herum und verbringen Tage auf hübschen Schären.

Schärenankern
Schärenankern „Patagonia-Style“, wir verholen uns mit Landleinen in den schönsten Plätzen.

Neue Reisegedanken schleichen sich ein. Warum sollten wir auf biegen und brechen einen Plan verfolgen, der uns nicht weiterkommen lässt? Warum nicht einfach in diesem traumhaften Norwegen bleiben und langsam die Küste hoch schippern?

Schließlich treffen wir eine Entscheidung: Wir werden dieses Jahr in Norwegen bleiben!

Seit vielen Jahren haben wir uns vorgenommen, im Laufe unseres Segler-Lebens alle großen Fjorde der Welt anzulaufen. Was für eine Gelegenheit also, jene Fjorde von Norwegen zu besuchen, die wir noch nicht kennen.

Claudia und Jürgen
Unsere Reise geht in Norwegen weiter.

Wir können erneut zu den Lofoten segeln. Uns im Norden irgendwo einen Platz für LA BELLE für den Winter suchen und von dort aus im September in die Schweiz reisen, um unsere Best-of-Explora Vortragstour zu unternehmen.

Und wir wollen den Winter nutzen, um eine besondere Reise zu realisieren: Skandinavien im Winter – mit dem Campervan zum Boot. Natürlich mit den Splitboards im Gepäck. Jürgen ist von dieser Idee so begeistert, dass er sofort UT, die norwegische Bergfex-App, an Handy installiert und vor lauter Skitouren jetzt schon vom Schnee träumt.

Den Weg in den Süden werden wir damit erst nächstes Jahr antreten. Für jetzt heißt es erst einmal: Kurs Nord! Erstes neues Ziel: Der größte Fjord Norwegens, der Sognefjord.

Anschließend werden wir ja sehen, wie weit wir kommen. Schade nur, dass die Salami und der Speck nun alle sind!

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4 Kommentare

  1. Schön wieder von euch zu lesen! Vielen Dank für diesen schönen Bericht. Lysebotn und vor allem die Serpentinenstraße hinunter ist einfach schön. Lasst es euch gut gehen.

    • Danke, ab sofort werden wir uns wieder öfter melden. Sind mittlerweile im Sognefjord und morgen gehts eine Serpentinenstraße hoch, aber davon erzählen wir bei nächsten Mal! Liebe Grüße, Claudia

  2. Einfach der Hammer eure Bilder und Pläne.
    Genial ist, wenn man das beste draus macht.

    Keine Angst, wir bringen etwas Salami, Speck & Würstchen mit….

    Bis bald, eure winggis 42

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