Mit der deutschen Grenze haben wir die Nebelfelder der Donau hinter uns gelassen. Das war einfacher als gedacht, an der Grenze haben wir niemanden angetroffen.
Meine Nase juckt. Aber das macht nichts, denn wir werden für den negativen Test, dem Schuldigen meiner entzündeten Nebenhöhlen samt tränendem Auge, belohnt. Das Amt der Oberbürgermeisterin von Flensburg hat uns per email wissen lassen: Wir müssen nicht in Quarantäne gehen. Umso besser, auch wenn wir nun die vielen Lebensmittel, die wir vorsorglich für eine Quarantänezeit eingepackt haben, eigentlich umsonst mitbringen.
Umso ironischer, dass mich ausgerechnet der Test, der mich für fit und gesund erklärt, krank gemacht hat. Eine ganze Woche lang werde ich als Resultat mit dieser einseitigen Nasennebenhöhlenentzündung kämpfen und die juckende Nase ist nur der Anfang.
Ich atme auf. Endlich sind wir wieder unterwegs, können für eine kurze Zeit die Gedanken des Landlebens links liegen lassen. Wieder wird mir bewusst, wie sehr mich die derzeitigen Einschränkungen belasten, wie eingesperrt und den Flügeln beraubt ich mich in diesem Jahr fühle. Wie sehr ich den allumfassenden und immer wieder kehrenden Gesprächsstoff Corona bereits hasse. Wie leid ich es bin, mir übertriebene Angstzuständen bis hysterische Verschwörungstheorien anhören zu müssen, sobald ich jemanden treffe.
Ich atme auf, denn wir sind unterwegs zum Boot. Auch wenn unsere Bootsfahrt nur sehr kurz sein wird, auch wenn es eigentlich nur eine Überstellungsfahrt ist. Auch wenn wir absichtlich mit dem Auto und nicht mit dem Campervan unterwegs sind und uns somit keine spontanen Umwege und neugierigen Ausflüge erlauben werden. Immerhin werden sich die nächsten Tage um das Boot und um die Ostsee drehen.
Erst gegen Mitternacht erreichen wir Flensburg. Und werden sofort mit deutscher Gründlichkeit zurechtgewiesen: Noch während wir unsere Taschen aus dem Auto laden, lässt uns ein Polizist mit strenger Miene wissen, dass wir sofort unsere Masken tragen müssen.
Na gut, wir sind hier nur zu Gast. Außerdem sind wir froh darüber, dass wir überhaupt nach Deutschland reisen durften. Aber Gefahr in Verzug, ehrlich? Außer den beiden Polizisten und uns ist auch niemand zu sehen den wir mit tödliche Viren anstecken könnten.
Schöne Überraschung. Dieses mal hat sich La Belle Epoque offensichtlich auch alleingelassen wohl gefühlt. Sie mag zwar außen ziemlich verdreckt sein, aber ihr Inneres ist sauber. Kein Modergeruch empfängt uns und die Bilgen sind staubtrocken. Nur die drei Verbraucherbatterien lassen uns wissen, dass sie des Lebens überdrüssig sind. Aber das ist uns nicht neu, wir werden dennoch den Kauf neuer Batterien so lange als möglich rausschieben.
Der Dieselofen bullert schon nach wenigen Minuten fröhlich dahin und bald ist es angenehm warm an Bord. Wir kochen Tee und alle Gedanken an Land und Corona sind verflogen. Vor uns liegt eine kleine, aber feine Segelstrecke durch die Ostsee und das Beste dabei ist: Der Wetterbericht verspricht Sonne und leichten Westwind!
Nach einen Hafentag brechen wir auf. Morgennebel hängt über den Hafen von Flensburg und auch La Belle Epoque lässt uns sogleich wissen, dass der Tag nicht ganz so schön wird als erhofft. Das Boot müht sich mit einem Bart aus Muscheln ab. Schon beim Auslaufen aus der Box reagiert das Boot nur behäbig, will nicht in Fahrt kommen.
Aber auch das ist keine wirkliche Überraschung. Immerhin sind Jahre vergangen, seit La Belle eine neue Unterwasserfarbe erhalten hatte. Genauer gesagt war La Belle Epoque zum letzten mal 2016 in Neuseeland an Land. Immerhin sind wir seither um die halbe Welt gereist und haben zwischenzeitlich den Unterwasseranstrich im Eis der Antarktis zerkratzt. So gesehen ist es ja fast ein Wunder, dass das Boot überhaupt fährt und nicht längst mit dem Hafengrund verwachsen ist.
Mit dreieinhalb Knoten Fahrt mühen wir uns durch den Nebel aus der Fjorde. Ein Gefühl an Bord, als schleichen wir uns davon. Unbemerkt. Leise. Unspektakulär. Ganz so, wie wir auch gekommen waren. Werden wir nach Flensburg zurückkommen? Oder ist erneut ein Kapitel beendet? Liegt vor uns endlich wieder ein neuer Weg?
Mit gemischten Gefühlen stelle ich mir die Hafenfront von Flensburg hinter der Nebelwand vor. Die Stadt ist uns eine zweite Heimat geworden. Ein Heimathafen. Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt.
Aber der Abschied ist süß. Denn vor uns liegt der Reiz des Unbekannten. Die Anziehungskraft des Ungewissen. Die Freude, nicht mehr am Ende einer Reise zu stehen, sondern mit den Vorbereitungen zu einem neuen Aufbruch zu beginnen.
Wir werden La Belle Epoque erneut in Schuss bringen. Werden noch heuer das Schifferl so segelklar wie noch nie machen. Wir werden erneut die Welt bereisen. Und wir werden erneut den Kurs zuerst in den Norden stecken.
Die Fahrt in den Osten bleibt ereignislos. Der Wind bleibt schwach, der Nebel hartnäckig. Nur für wenige Stunden kommt die Sonne durch, während uns eine sanfte Brise beinahe liebevoll über die glatte Ostsee schiebt. Dann verschwindet das Blau erneut im grauen Nebelschleier und wir sind alleine.
Alleine? Wohl kaum. Radar und AIS erzählen von dem vielen Verkehr um uns, während wir langsam zwischen den Ozeandampfern durchkreuzen.
Im dichten Nebel ist es anstrengend, geraden Kurs zu halten. Vor allem, da wir im warmen Steuerhaus lediglich das GPS zum Kurshalten haben. Der Fluxgate-Kompass hat seinen Geist aufgegeben. Und er ist nicht das einzige Opfer der letzten Jahre. Auch unser elektrischer Autopilot hat sich endgültig verabschiedet, obwohl er ja eigentlich niemals besonders gefordert wurde. Immerhin steuerte der Autopilot in der Regel fast nur unter Motor. Unter Segel und auf Passagen hat uns stets Miss Aries gedient. Doch sie ist zur Zeit abgebaut und wartet in der Vorkoje auf neue Lager.
Gegen drei Uhr morgens übergebe ich Jürgen das Ruder und bin froh darüber, die kommenden Stunden nicht weiter über Schiffe und ihre Kurse nachdenken zu müssen. Die letzte Kreuzung einer Schifffahrtsstraße wird wohl Jürgen erledigen müssen.
Doch ich habe die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Mit dem vielen Bewuchs am Schiffsrumpf sind wir doch viel langsamer als gewohnt und so werde ich zur nächsten Wache noch einmal gefordert: Den ganzen nächsten Vormittag verbringe ich damit, uns viel zu langsam durch die schwer befahrene Schifffahrtsstraße vor Darßer Ort zu mogeln.
Rechtzeitig zum Einlaufen ins enge Fahrwasser zwischen den Inseln Bock und Hiddensee wird der Nebel so dicht, dass wir kaum noch den eigenen Bug sehen. Natürlich ist mittlerweile ein ganzer Tag vergangen. Es ist erneut stockdunkel geworden und selbst die wenigen beleuchteten Tonnen sind in diesem Nebel nicht mehr zu entdecken.
Langsam und wie auf Messers Schneide zockeln wir durch die Untiefen, bis wir endlich auf Reede bei Barhöft den Anker fallen lassen können.
Erst nach einer Polizeikontrolle am nächsten Morgen geht die Fahrt weiter. Endlich hebt sich der Nebel. Wir finden uns im wunderschönen Barther Bodden wieder. Braun und trocken wiegt sich das Schilf am Ufer, Seeadler ziehen ihre Kreise über unseren Köpfen, Schwäne stehen neben den Tonnen im seichten Wasser. Brunch gibts im Sonnenschein auf Deck.
Ein Baggerschiff zieht langsam vor uns dahin, doch wir sind mit unserer bewachsenen Schiffsschraube noch viel langsamer. Sicherheitshalber speichere ich den Track des Schiffes. Sollte sich der Nebel wieder verdichten.
Alle Vorsicht bleibt unnötig. Barth empfängt uns bei strahlendem Sonnenschein.
Dann ist unser kurzer Abstecher auf See auch wieder beendet. Bereits am Nachmittag zerlegt Jürgen den Außensteuerstand. Er will zuhause in Österreich ein paar Teile dafür neu drehen.
Nachdem wir La Belle Epoque in ihre neue Box verholt haben, bereite ich sie auf ihre Zeit ohne uns vor. Aus dem Wasser geht es für unser Schifferl erst im Frühling, wenn die ganzen Winterlieger zurück in der Ostsee sind und die Werft Platz für uns hat.
Es ist gut, das La Belle endlich vor der Werft liegt und heuer noch aus dem Wasser kommt. Immerhin gibt es eine endlos lange Liste an Überholungsarbeiten. Immerhin ist das Boot in einem derart schlechten Zustand, wie schon lange nicht mehr.
Dann ist unser kurzes Intermezzo auch schon wieder vorüber. Wir sitzen im Zug in Richtung Flensburg, steigen dort ins Auto und brechen auf.
Heim gehts nicht ganz ohne Umwege. Denn ein Bogen über Cuxhaven muss schon sein. Dort besuchen wir segelnde Freunde und vergessen beinahe die Welt um uns. Die nächsten zwei Tage drehen sich ausschließlich um Boote, Winde und Ozeane.
Zurück in Österreich empfangen uns knappe 10 Grad im Haus. Wir heizen den Holzofen ein und drehen uns in Decken. Doch so recht wollen wir noch nicht zurück sein. Ist unser Kurztrip wirklich schon beendet?
Genau genommen haben wir doch etwas Zeit übrig. Immerhin haben wir uns ja die Tage der Quarantäne eingespart. Am Morgen blickt Jürgen aus dem Fenster und verfällt sofort in geschäftiges Treiben. Das Wetter ist zu schön, um zuhause herumzusitzen, beschließt er.
Viel Vorbereitung benötigt es nicht. Der Campervan ist stets bereit, bepackt mit Skiwäsche, Snowboards und Langlaufski.
Stunden später gehts mit dem Sessellift den Berg hoch. Wir werden wohl noch ein paar Tage hier in Gosau bleiben, bevor wir uns erneut einsperren lassen.
Hello von Linz/Donau. Dort in der Werft Rannin haben wir vor 12 Jahren die Liesbeth renoviert und ins Wasser gelassen, grüsst den Chef von uns. Holger & Anna.
Hallo Claudia
Liebe Grüße aus linz
Immer wieder schön von dir zu lesen
Schön, dass Ihr heile zu Hause angekommen seid. War ein schönes, abwechslungsreiches Wochenende mit Euch. Bleibt gesund! Fair winds, Marlene & Bert
Ahoi ihr wackeren Seefahrer!
Was habt ihr denn für einen Unterwasseranstrich drauf, dass ihr seit 5 Jahren kein Antifouling mehr gemacht habt?
Oder seid ihr zwischendurch getaucht zum putzen?
Alles Gute!
Bernhard
Hallo Bernhard, unser Antifouling ist eine lokale Marke von Neuseeland, es nannte sich War-Paint. Wurde uns von Lokals empfohlen und hat auch wirklich unglaublich lange funktioniert. Mittlerweile sieht LA BELLE aber eher traurig aus und es wird allerhöchste Zeit für einen neuen Anstrich…