Auf Umwegen durch Europa

Es ist Mitte September. Die „Mopeds“ sind im Kastenwagen verstaut und LA BELLE EPOQUE steht an Land. Ausgeräumt, durchgeputzt, zugesperrt. 

Sie steht auf „ihren alten Platz“ ganz hinten in der Werft. Wir haben uns gefreut, wieder auf „unseren“ Werftplatz zu dürfen. Wo wir im kommenden Frühling wieder in aller Ruhe an ihr Herumflexen und Schweißen können. Mit Platz, um erneut in unserem Kastenwagen nebenan zu leben und mit Aussicht über die Ostsee.

Zurück in der Werft

Aber das ist die Geschichte von der Zukunft. Jetzt aber wollen wir unsere Reise noch nicht beenden. Wollen nicht einfach so nach Hause fahren und im Alltag ankommen.

Und das müssen wir auch nicht. Wir haben hundert Ausreden, doch nicht aufs gerade Wohl zurück nach Österreich zu fahren. Und vor allem haben wir Zeit und Lust, einen mobilen Reiseuntersatz in Form unseres ROTEN BLITZes und sogar ein paar gute Gründe.

Erst führt unsere Reise nach Flensburg. Jene deutsche Stadt, die uns zu Ostseesegler gemacht hat.

Wir kommen nicht ohne Grund. Ganz und gar nicht. Wir sind hier, um Dirk unsere Segel zu bringen. Unser Segelmacher wird unsere Segel nachbessern und sich unserer Arbeitsfock annehmen. Sie muss umgearbeitet werden.

Denn es gibt große Neuigkeiten an Bord von LA BELLE EPOQUE: Wir werden den Kutterstag auf eine Rollanlange umrüsten! Und das nicht ganz ohne der selbstlosen Unterstützung von Seglern.

Die beiden Schweizer Adriane und Ramon, die wir von einiger Zeit kennenlernen durften, lassen derzeit ihre Yacht in einer holländischen Werft überholen. Für weite Fahrt aufrüsten. Und bei dieser Überholung wird natürlich auch das Rigg erneuert. 

Was das nun mit uns zu tun hat?

AVANTA wir im Zuge der Überholung auch mit neuen Rollanlange ausgerüstet und wir dürfen uns die alte Profurl bei der Werft abholen!

Und damit haben wir ein weiteres schönes wie spannendes Etappenziel vor uns: die Werft KM-Yachtbuilders in Makkum, Holland.

Doch nach eine letzten Nacht an der Ostsee – wenn auch nicht auf dem Wasser sondern am kostenlosen Camperstellplatz im Hafen von Flensburg – geht es erst einmal nach Bremerhaven.

Während unserer heurigen Grönlandreise hatten wir ein enormes Problem.

Auch wenn wir darüber nichts geschrieben haben. Dieses Problem ist auch Grund dafür, warum LA BELLE EPOQUE nun erneut am Trockendock in der Werft steht.

Unsere Schiffsschraube bringt nicht mehr den nötigen Antrieb. 

Aus einem uns unerfindlichen Grund schafft sie es nicht mehr, LA BELLE auf Marschfahrt zu bringen, geschweige denn auf Rumpfgeschwindigkeit. Noch Schlimmer: Brauchen wir Schub, pantscht die Schraube beinahe sinnlos im Wasser. Das kann brenzlich werden, vor allem in den Revieren, in denen wir unterwegs sind.

Einziger Vorteil der Situation: LA BELLE EPOQUE benötigt aus irgend einem Grund einen halben Liter Diesel per Stunde weniger. Aber auch dieser Vorteil ist relativ, schaffen wir in derselben Zeit doch weniger Seemeilen…

Deshalb war uns also schon früh während der Reise klar, dass wir unser Boot wieder an Land stellen müssen und die Schiffsschraube erneut nach Bremen bringen müssen. Denn die Firma SPW hat diese Schiffsschraube während unserer letztjährigen Werftzeit überarbeitet. 

Ist da etwas schief gegangen? 

Wir vermuten eine falsche Steigung, die Fachleute von SPW vermuten Probleme am Antrieb. Es ist also besser, wir setzten uns einmal an einem runden Tisch zusammen.

Die Fachleute von SPW können einen Fehler an der Überarbeitung nicht glauben. Müssen sie auch nicht, denn bei der Schraubenreparatur letztes Jahr ist von ihrer Seite nichts schief gegangen.

Mit der Hilfe von SPW finden wir das Problem. 

Unsere Schiffsschraube ist ganz einfach alt geworden. Und dafür sind höchstens wir verantwortlich! Der Propeller zeigt Materialermüdung. Je nach Schub verformen sich die Flügel der Schraube selbst. Und damit verliert die Schraube an Leistung, sobald wir Leistung fordern.

Die schlechte Nachricht: nicht mehr zu reparieren. Wir benötigen eine neue Schiffsschraube. 

SPW lässt uns nicht hängen, auch wenn unser Problem nicht ihr Fehler ist. 

Sie machen uns ein großzügiges Angebot für einen neuen Hochleistungspropeller. Eine Schiffsschraube aus dem stärksten, verfügbarem Material. Ein Angebot, das wir nicht ausschlagen können. LA BELLE wird damit kommenden Frühling mit einem Propeller ausgestattet, der für jede kommende Eisfahrt gewappnet sein wird und uns wieder richtig schiebt.

Einzig das „richtig Schieben“ ist vielleicht noch ein kleines Thema: Denn wie es aussieht, hat unser Propeller nie so ganz gepasst. Und, wie wir natürlich wissen, ist unser 60PS Dieselmotor doch eher etwas auf der kleinen Seite für ein 20 Tonnen Stahlschiff. Was der Motor nicht leisten kann, wird auch die beste Schiffsschraube nicht wettmachen. Wunder kann man sich eben nicht erwarten, aber wir benötigen auch keine Wunder. Wir brauchen einfach wieder einen zuverlässigen Antrieb.

Wie es sich für landreisende Segler gehört, schlendern wir den Nachmittag entlang der Häfen von Bremen. Und werden prompt zu einer Segelyacht gerufen. Oliver, unser Stegnachbar vom letzten Jahr, liegt am Gästesteg. Und damit gibts anstelle einer Stadtbesichtigung Segeltratsch und ein Bier im Cockpit. Macht also nichts, dass wir uns heuer in Barth nicht gesehen haben!

Anstelle des Stadtbesuches hängen wir im Hafen ab!

Langsam fahren wir die Nordseeküste entlang. Nächstes Ziel: Holland.

Doch stop. Steht nicht die FREYDIS in Leer? Eigentlich haben wir ja gehofft, das Schiff von Heide und Erich Wilts in Grönland zu treffen. Aber daraus ist nichts geworden und wir haben gehört, dass FREYDIS nach Hause gekommen ist.

Heide und Erich Wilts haben mit ihren verschiedenen FREYDIS-Schiffen immer schon unglaubliche und inspirierende Reisen gemacht. Ihre Bücher habe ich bereits verschlugen, als ich mir noch nicht einmal vorstellen konnte, jemals in ihrem Kielwasser zu fahren. Eine FREYDIS zu sehen, wenn auch abgedeckt und eingewintert, ist natürlich einen kleinen Umweg in die Stadt wert.

Insgeheim hofften wir ja, FREYDIS irgendwo zwischen Island und Grönland zu treffen. Aber leider sollte es dazu nicht kommen. Und so bestaunen wir sie zurück in ihrer Heimat.

Camper-Reise auf Umwegen

Wir entscheiden uns, wenn möglich keine Autobahnen zu befahren. Wir wollen einen Eindruck vom Land bekommen und nicht durch die Gegend rasen, auch wenn wir nicht zum ersten Mal durch Holland reisen.

Wenn man vom niederländischen Friesland überhaupt von „Land“ sprechen kann. Bestenfalls scheint es „Land zwischen Wasser“ zu sein. Weite, ebene Flächen, durchzogen von Entwässerungskräben, Kanäle, Flüsse, Bäche. Unterbrochen von Seen, Lachen, Teichen. Wasser, wohin wir sehen. 

Schiffe, die neben der Straße fahren, Segelyachten, die uns beinahe entgegen kommen. Leuchttürme, die mitten im Land in den Gärten stehen und dazwischen Windmühlen, die sich in der Meeresbrise träge drehen. 

Und doch sind wir nicht am Wasser, sondern an Land. Um uns spielen nicht die Delfine, sonder grasen die Kühe und Pferde. Von Schafen bevölkerte Deiche trennen uns von der Nordsee. 

Bei einer Landreise durch Holland kommt man an der Schifffahrt nicht vorbei!

Alles hier dreht sich um Landwirtschaft. 

Und die lässt uns wissen, dass sie in der Krise steckt. Auf den Koppelrändern hänge niederländische Flagge – verkehrt rum. Auf den Silageballen stehen Protestbotschaften, auf Plakaten werden die Sorgen der Bauern deutlich. 

Diese Krise der Landwirtschaft wird uns quer durch Europa begleiten. In Holland sind es verkehrt aufgehängte Flaggen, in Belgien rote Tücher und in Luxenborg grüne Kreuze mit roten Stiefeln. Was ist bloß in Europa los?

Europäische Politik gegen europäische Landwirtschaft. Offensichtlich hat Europa immer noch nicht begriffen, welche Nachteile globale Abhängigkeit hat.

Dann sind wir endlich wieder an der Küste.

Diesesmal an der Küste von IJselmeer. Einem kleinen, seichten Meer, dem die Holländer nach und nach den Platz nehmen, um sich selber etwas mehr Platz zu schaffen.

Alles in Makkum dreht sich um Yachten. Und auch bei uns steht Werftbesuch auf dem Programm. Nachdem wir zweimal bei einer Umleitung im Kreis fahren, stehen wir endlich vor KM Yachtbuilders.

Obwohl wir keine Kunden hier sind, werden wir willkommen geheißen. Wir dürfen die nächsten Tage am Werftgelände parken und ganz selbstverständlich zwischen Millionenyachten unser Camp aufbauen.

Sogleich werfen wir uns in die Arbeit. Die alte Rollanlage der AVANTA liegt unter der Yacht bereit zum Zerlegen. Die Lager stecken fest und die alte Reffleine lässt sich kaum von der Rolle wickeln. Nach und nach, mit viel Gespür, Vorsicht und einem Heißluftföhn löst sich eine Schraube nach der anderen. Stätig wandert ein Teil der Rollreffanlage nach dem anderen in unseren Camper, während rund um uns gearbeitet wird. 

Wir sind in der Halle der Restaurationen und Endausstattungen. Neben uns arbeiten die Tischler an der Einrichtung einer Motoryacht, eine Segelyacht wird ausgeschäumt und eine andere wird in ein Plastikzelt für die kommenden Schleifarbeiten gehüllt. Die Rigger arbeiten vor der Halle an einer Slup. Irgendwo in einer weiteren Halle haben die Arbeiten an der neuen Pelagic Australis begonnen.

Spannend ist so eine Luxuswerft allemal, wenn ich auch froh bin, dass wir nur zu Besuch hier sind. Unsere LA BELLE EPOQUE wartet bei Rammin in Barth auf uns. Dort können wir selbst an unserem Boot arbeiten und müssen uns um wegen der Kosten keine Sorgen machen.

Wir beschließen, unsere Heimfahrt und das Ende der Reise noch etwas weiter hinauszuzögern.

Camperreise durch Holland
Mit dem ROTEN BLICK zur Holland

Auf Umwege zu Reisen ist schließlich die spannendste Art zu Reisen. 

Warum also nicht zum Abschluss noch einen Abstecher in die Schweiz machen, um dort die Reisen von anderen Weltenbummler auf uns wirken zu lassen. Explora hat uns eingeladen, bei den Discovery Days als Gäste dabeizusein. Ein zweitägiges Vortragsfestival, das auch Jungvortragenden eine Chance gibt, auf die große Bühne zu kommen.

Und so beschließen wir, aus einer Reise von der Ostsee nach Österreich eine Reise rund um Deutschland zu machen. Nach der Ostsee- und Nordseeküste fahren wir also nun weiter: nach Belgien, nach Luxenborg. In den Schwarzwald und ein Stück weit durch Frankreich bis in die Schweiz. Erst dann gehts über Lichtenstein wieder zurück nach Österreich.

Mit dem Camper nach Luxembourg
Kurztrip nach Luxembourg

Und so ändert sich stätig die Landschaft um uns. Von flachen Weiden zwischen Wasserläufen und Deichen, die das Meer draußen halten, zu saftigen grüßen Hügeln und ausgedehnten Wäldern. Von Schluchten und wilden Wasserläufen zu lieblichen Weinbergen entlang scheinbar zahmer Flüsse. 

Wir besuchen den Donauursprung und lachen über das kleine Bächlein, das doch bei uns zuhause eine wahre Lebensader und unsere Route zu den Weltmeeren ist. 

Donauursprung
Stop beim Donauursprung. Unsere oberösterreichische Lebensader und Verbindung zum Meer!

Und nach weiteren Weinbaugebieten sehen wir die verschneiten Granitgipfeln der Alpen.

Unglaublich, wie viele Eindrücke man in lächerlichen zwei Wochen sammeln kann, sobald man sich über Land bewegt. 

Reiseeindrücke als Abschluss einer Reise, die Mitte April ihren Anfang nahm. Eine Reise, die uns über den Nordatlantik bis in die Arktis und zurück führte. Einer Reise, die uns mit dem Boot entlang unzähliger Küsten brachte und die uns mit den Trialmotorrädern auf die traumhaftesten Schlammstrecken führte. Eine Reise, die uns per CamperVan über tausende Kilometer Landstraße quer durch Europa führte.

Wir wollen Europa sehen – und verzichten auf Autobahnen.

Die Discovery Days – das Festival der Reisevorträge in der Schweiz – werden ein feiner Abschluss unserer Reise.

Abschluss unserer „3D-Reise“ – Unserer Reise mit drei Reisemobilen: der Expeditionsyacht, den Wandertrials und dem Kastenwagen-Campervan.

Wir sind begeistert von der bunten Vortragsmischung. Und wir sehen, wie viele Abenteuer noch möglich sind. Per Auto, Boot, Rad, zu Fuß, mit Skiern.

Wir sehen uns die spannenden vortrage der Discovery Days in der Schweiz an. Foto: https://www.discovery-days.ch/

Aber jetzt heißt es für uns, nach Hause zu kommen und erst einmal kräftig anzupacken. Die Motten aus dem Haus vertreiben, das Unkraut von der Zufahrt rupfen. Das Brennholz aus dem Wald hohlen alle möglichen, liegengebliebenen Arbeiten rund ums Haus zu erledigen. Und natürlich heißt es jetzt erst einmal für uns, kräftig zu üben. Damit auch wir wieder Spaß daran haben, unsere Bilder und Geschichten zu zeigen. Und Spaß werden wir haben, wenn es am 30. Oktober am Kalkalpen Diafestival in Steyr heißt: Bis ans Ende der Welt!

Kalkalpen Diafestival

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