Ein bisschen Sommer

Unglaublich wie schön Norwegen ist. Egal wie oft wir diese Küste anlaufen, immer wieder versetzt sie uns in Glückseligkeit. Und nun grüßt sie uns auch noch mit Sommertage. 

Es ist der 21. August. Und damit sind wir früher als erwartet zurück an der Ostsee. Oder besser gesagt in Skagerrak. 

Ein paar Tage verbringen wir vor Anker. Klettern über die Felsen von Skarvøya und durchstreifen den Wald auf der Suche nach Eierschwammerl. Zum ersten mal in diesem Sommer können wir T-Shirts und kurze Hosen auspacken und sämtliche Luken öffnen. Zum ersten mal in diesem Jahr spüren wir etwas Sommer.

DieSChären entlang Norwegens Südküste bieten eine Unmenge an Ankerbuchten.

Langsam ziehen wir weiter.

Vor der Küste herrscht steifer Gegenwind, doch zwischen den Schären lässt es sich gut vorwärtskommen. Wenn auch unter Maschinenkraft. Doch wir wollen weiter. Wollen befreundete Segler weiter östlich einhohlen und außerdem für die Fahrt nach Schweden einen besseren Windwinkel erreichen.

Um Lindesnes – der Südwestlichsten Spitze Norwegens – müssen wir leider aus dem Schutz der Inselwelt auftauchen. Und schon faucht uns der Wind ins Gesicht. Ruppig, wenn auch nicht hoch, klatschen die Wellen gegen uns. Versuchen, La Belle Epoque zu stoppen.

Lindesnes – der südwestlichste Leuchtturm Norwegens

Doch unsere behäbige Stahllady geht stoisch ihren Weg. Arbeitet langsam aber stetig vorwärts. Anfänglich kaum spürbar verliert die See an Kraft. Wir erreichen erneut den Schutz der Schären. Aus Wellen werden Rippel, der Wind verlier sich. Ein Ankerplatz nach den nächsten verschwindet in unserem Kielwasser.

Die kahlen Außenschären liegen hinter uns, die Inseln sind grüner und lieblicher. Die Fahrwasser werden enger. Schmucke Ferienhäuser zieren die Buchten. Motorboote und einzelne Segelyachten kreuzen unseren Weg, bis sie von ein paar Regenschauern von der Wasserfläche vertrieben werden. 

Ein paar Fischer bleiben dennoch draußen.

Kurz vor Tvedestrand knattert der Funk. „Wir können euch einlaufen sehen. Direkt hinter HEIMKEHR ist ein Platz für euch frei“, lässt uns Bert wissen. 

Begegnungen sind doch immer wieder das schönste am Segeln!

Selbstsicher lege ich längsseits von HEIMKEHR an. Zumindest so selbstsicher, wie man eben nach einem verpatzten Anleger sein kann. Denn eigentlich wollte ich ja hinter die HEIMKEHR. Doch der Hafen ist eng, der Platz ist kurz, der Wind drückt und LA BELLE marschiert lieber seitwärts als rückwärts.

Schon springt Marlene an ihren Bug und übernimmt eine Trosse, während Bert am Heck lacht:

„Bleibt doch hier, ist so und so das einfachste!“

LA BELLE EPOQUE längsseits von HEIMKEHR

Die kommenden zwei Tage werden „geschnackt“. Proforma spazieren wir kurz durch Dorf, holen uns ein paar Äpfel aus dem Supermarkt. Doch eigentlich wollen wir nur am Deck der HEIMKEHR in der Sonne sitzen und mit den beiden sympathischen Seglern tratschen. 

Lustig, wie unkompliziert und fröhlich die Freundschaft zwischen Seglern ist. Wie viel wir uns zu erzählen haben. Und das, obwohl wir nach längeren Segelschlägen eigentlich eher maulfaul sind. Wenn sich unser Unmut für Smalltalk zur Unfähigkeit dazu steigert.

Doch das Schöne mit Marlene und Bert ist, dass wir keine Sekunde mit Smalltalk vergeuden müssen. Es gibt eben tausend Geschichten rund ums Segeln, rund ums Reisen. Und wenn sich ein wenig Tratsch aus der Seglerwelt dazwischen mischt, wird es umso lustiger.

Wir bleiben nicht lange, der passende Wind zur Weiterfahrt ist zu verlockend. Und so wird unser Abschied von der HEIMKEHR ein Abschied von Norwegen und ein weiterer Aufbruch zu unserer Heimkehr.

Ein letzter Blick auf Norwegen, dann gehts raus ins Skagerrak

Skagerrak wird zum Kattegat, die Schifffahrt füllt den Horizont.

Aus den norwegischen Schären werden schwedische Inselchens, aus tiefen, engen Ankerbuchten werden weite seichte Buchten. Nur die Sonne bleibt gleich. Sie brennt vom Himmel und lässt uns den letzten Gedanken an arktische Kälte vergessen.

Zwischen Dänemark und Schweden wird es eng, dann biegen wir in den Hafen von Kopenhagen ein. Stolz segeln wir dicht an der königlichen HDMY DANNEBROG vorüber, gehen unweit ihr an den Steg. 

Wir fühlen uns angekommen. 

Angekommen in einer Stadt, die ihres Gleichen sucht. Immer noch begleitet uns das Sommerwetter und bald schon haben wir eine bessere Idee, als durch die Straßen zu flanieren. Wir packen unser Dingi vom Deck und montieren zum ersten mal für dieses Jahr den Außenborder daran. 

Wir setzten die Sonnenhüte auf und lassen uns durch die Kanäle treiben. Reihen uns ein zwischen Ausflugsbooten, Beibooten, Sportbooten, Flanierbooten, Picknickbooten und Yachten. Zwischen Fähren, Jetskies, Segelbooten, Hausbooten und Fischkuttern.

So flaniert man in Kopenhagen durch die Stadt!

Die Tage vergehen. Erneut setzen wir die Segel. Verlassen den Hafen uns segeln zwischen Kopenhagen und ihren Windparks in den Süden. Lassen uns etwas verwirren von den vielen gelben Tonnen, die weder in unserer Seekarte verzeichnet sind, noch Sinn zu machen scheinen. 

Egal, denke ich mir, ich laufe ja direkt zwischen roten und grünen Tonnen, befinde mich mitten im Kanal für die großen Pötte.

Doch plötzlich rumpelt es. 

LA BELLE EPOQUE torkelt, Jürgen läuft aus dem Steuerhaus aufs Deck. Ein weiterer Ruck, und wir sind wieder frei. LA BELLE EPOQUE zieht weiter, als wäre nichts gewesen.

Was um aller Welt war das? Eine versunkene Boje, Müll? Nein, eine Untiefe, lässt mich Jürgen wissen. Er konnte vom Heck aus den Boden noch erkennen, bevor dieser im Kielwasser verschwand.

Ich beiße mir auf die Lippen. Ärgere mich, mit so alten Seekarten unterwegs zu sein. Ärgere mich, den vielen gelben Tonnen nicht doch etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.

Die letzten Wochen waren wir in einem Seegebiet unterwegs, von dem es so gut wie keine Karten gibt. Ankerten an nicht vermessenen Küsten, ja sogar in Buchten, die laut Seekarten nicht einmal existierten. Waren sorgfältig. Vorsichtig, ja nicht auf Grund zu laufen und die neue Lackschicht am Unterwasserschiff zu zerkratzen. Immerhin haben wir letzten Sommer das Boot sandstrahlen lassen und viel Geld und Arbeit investiert. Nur, um jetzt, im betonnten Kanal und mitten vor der Stadt auf Grund zu laufen. Ich ärgere mich blau!

Nur noch eine kleine Etappe trennt uns von Deutschland. 

Ganz unbescholten will uns die Ostsee nicht davonkommen lassen und so stürmt sie an der Ausfahrt von Falsterbo heftig gegen uns. Hastig wechselt Jürgen auf die Arbeitsfock, während ich den Motor anwerfe, um nicht unter Großsegel seitlich gegen die Hafenausfahrt gedrückt zu werden.

Kaum draußen binden wir ein Reff ins Großsegel. Dann noch eines. Endlich ziehen die Segel, ich halte LA BELLE EPOQUE so hoch am Wind als möglich. Trotzdem schaffe ich es nicht, an dem riesigen Windpark „Baltic 1“ vorbeizukommen.

Ich schimpfe wie ein Rohrspatz. Weiß nicht genau, was ich eigentlich machen soll. Und schon wieder mache ich mir Sorgen.

Wo geht’s hier durch den Windpark?

Ist es eigentlich illegal, durch einen Windpark zu segeln?

Jürgen ruht sich aus, ist etwas seekrank von der Arbeit am Bug und liegt in der Koje. Doch nach Stunden am Steuer habe ich eine Lösung für mein „Dilemma Windparkquerung“. Ich werde einfach vor Erreichen des Gebiets das Steuer an Jürgen übergeben!

Ich wusste es: Jürgen denkt überhaupt nicht daran, aufzukreuzen und den unmöglichen Umweg um die vielen Windgeneratoren zu nehmen. Ich bin nervös und beschließe, lieber nicht dabei zu sein. Also verkrieche ich mich in die Koje und bin schon wenige Minuten später eingeschlafen!

Einen Tag später erreichen wir Barth. Machen fest in der Werft Rammin. Werden vom Kranführer kurz vor Feierabend empfangen und gleich in die Box beim Kran gelegt.

Ein paar Segler empfangen uns herzlich, auch wenn unsere Freunde von der MÜGGELE – oder eher MÜGGOLOS – vor wenigen Tagen nach Hause gefahren sind. Schade, wir hätten sie noch gerne gesehen und ihnen zu ihrer tollen Arbeit an ihrem Boot am Trockendock gratuliert.

Zum letzten Mal für dieses Jahr sitzen wir für den lauen Abend im Cockpit. Köpfen die Bernsteinweizen, die uns Mareike und Philipp als kleinen Willkommensgruß zu Kastenwagen gestellt haben. So lässt sich das Ankommen doch auch genießen! Und morgen gibt’s ein Fischbrötchen!

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