Ein Kreis schließt sich

Noch im ruhigen Hafenwasser von Peterhead´s Vorhafen binden wir drei Reffreihen ins Großsegel. Immerhin ist gerade Sturm durchgezogen, wir erwarten uns immer noch gute sieben bis acht Windstärken da draußen. Dann geht die Fock hoch und vom Hafenmeister kommt das grüne Licht. „Ihr könnt rausfahren, gute Reise“. Der Hafen von Peterhead hat derartig viel Schiffsverkehr, dass nicht einmal eine Yacht ohne Erlaubnis aus dem Hafen steuern darf.

Dann liegen die massiven Hafenmauern achteraus und LA BELLE EPOQUE fällt wildgeworden im Seegang umher. Überall stellen sich Brecher auf, dazwischen Wellentäler, die schwarze Löcher zu sein scheinen. Kurze, steile See fällt von allen Seiten auf uns ein. Nur der Wind, der lässt sich bitten. Nirgends scheinen die gemeldeten dreißig bis vierzig Knoten zu sein, die gerefften Segel können das Schifferl weder ordentlich antreiben noch genügend stützen. Wir fallen, torkeln, schlingern und stöhnen. Aber nein, dass kann so nicht stimmen, sicherlich ist es nur die Landabdeckung, die den Wind bremst. Du wirst sehen, in ein paar Seemeilen wird es zu blasen beginnen. Oder so denken wir.

Waren wir etwa zu vorsichtig? Sind die vielen Reff vielleicht ganz unnötig? Schon fällt eine Böe auf uns ein. LA BELLE legt sich zur Seite und nimmt endlich Geschwindigkeit auf. Wir fühlen uns bestätigt. Dann ist die Böe durch. Wir reden uns ein, dass sie nur der erste Auftakt ist, der stürmischer Wind wird uns bald erreichen. Wir warten, fallen, torkeln, schlingern und stöhnen.

Dann wird es uns zu bunt. Wir schütteln die Reffs aus dem Großsegel und lassen endlich die paar Windgeneratoren vor der Küste im Kielwasser. Doch gemütlich wird die ganze Überfahrt nicht. Die stürmische See lässt nicht nach und passt einfach nicht zu dem frischen Wind, der unsere Segel füllt. Aber gut, wir haben uns ohnehin nicht erwartet, auf der Nordsee einen entspannenden Segeltörn machen zu können. Entspannung gibts hier keine, auf der Nordsee heißt es, aufmerksam zu bleiben. Denn wir ziehen an unzähligen Ölplattformen vorüber. Und wo noch keine Plattformen stehen, dort werden eben neue Rohre gelegt und neue Plattformen gebaut.

Eigentlich unglaublich. Wenn man so über die Nordsee zieht, bleibt es schwer vorstellbar, dass Europa ernsthaft diskutiert, seine Emissionen zu verringern. Beinahe lächerlich machen sich die vielen Plattformen über die braven Umweltschutzgedanken der Bevölkerung. Wie war das, ein paar Plastiksackerl und Trinkhalme weniger? Hier draußen sieht alles nach steigenden Verbrauch aus. Natürlich rein subjektiv! Aber vielleicht sind die unzähligen Windparks, die entlang aller Küsten wachsen, ein Hoffnungsschimmer.

Bald haben wir beide Rückenschmerzen von den ruppigen Bewegungen im Schifferl. Nicht ganz der krönende Abschluss, der zu dieser Fahrt passen könnte. Denn an der Küste Norwegens ist es soweit: Wir kreuzen unseren eigenen Kurs – wir haben den amerikanischen Kontinent umrundet! Viele Jahre sind vergangen, seit wir die Küste Norwegens hochgesegelt sind und doch täuscht uns die Erinnerung nicht. Norwegens Schönheit zieht uns sofort in seinen Bann!
Doch zuvor müssen wir noch einmal ordentlich acht geben. Wir erreichen die Küste, noch vor dem ersten Morgenlicht und tasten uns vorsichtig zwischen den Schären durch. Schlagartig ist die See ruhig, langsam wandelt sich das Schwarz der Nacht zu einem grauen Licht und erste Fischkutter ziehen an uns vorüber. Im Morgenlicht suchen wir uns einen ruhigen Ankerplatz, bestaunen vom Boot aus die beiden hübschen Ferienhäuschen an Land und die mit Nadelwald überzogenen Felshänge um uns. Dann fallen wir in die Koje.

Zwei lange Tage bleibt das Wetter grau und hässlich, wir liegen vor Anker und haben keine Lust zum Landgang. Dann reißt die Wolkendecke auf, die Sonne blitzt durch und vertreibt bald die letzten Wolkenreste. Eine sanfte Brise weht über das stahlblaue Fjordwasser und die Inselwelt glänzt wie frisch gewaschen. Wir dampfen die wenigen Seemeilen über glattes Wasser bis nach Farsund.

Was für eine Überraschung. Am Gästesteg liegt eine graue Aluyacht, die wir doch gut kennen: PACHAMAMA – eine Familie aus der Schweiz, die wir vor vielen Jahren in Alaska kennenlernten. Ein fröhliches Wiedersehen mit einer außergewöhnlichen Familie.

In Farsund genießen wir die Verbundenheit, welche die Norweger mit ihrem Meer haben. Die Stadt schmiegt sich an seine vielen Häfen und der große Gästehafen mit seinen stabilen Stegen und sauberen Dusch- und Waschanlagen im Zentrum kann kostenlos benützt werden. Selbst die Supermärkte und Einkaufszentren verfügen über kostenlose Steganlagen. Eine hübsche Altstadt aus weißen Holzhäusern zieht sich den Bergrücken hoch, große Parkanlagen mit traumhafter Aussicht krönen die Stadt. Ich habe nicht vergessen, wie schön Norwegen ist und doch staune ich immer wieder über dieses Land.
Langsam ziehen wir durch die Kanäle Südnorwegens. Wir lassen uns Zeit, besuchen Ankerplätze und genießen das sonnige Wetter. Zugegeben, wir finden kaum Wind, um unsere Segel zu füllen, aber uns ist das ein kleiner Preis für die viele Sonne.

Dann erreichen wir Kristiansand. Wir bekommen Besuch aus Österreich und hohlen die beiden direkt vom Flughafen ab. Das ist nicht weiter schwer, verfügt doch der Flughafen neben einem Parkplatz für Autos über einen großen Gästesteg für Boote!

Mit Susanne und Michael an Bord bummeln wir weiter durch die Schärenwelt. Dann müssen wir unser Tempo ändern. Wir wollen gemeinsam mit ihnen bis Deutschland segeln und das Herbstwetter drängt zur Eile. Bald tauchen wir wieder in die Welt des Windes und ziehen über ein ruppiges und graues Skagerrak in Richtung Dänemark. Der Wind dreht wie geplant und wir runden Skagen. Das Meer wird ruhig, wir ziehen an den Lichtern von ankernden Frachtern vorüber. Nur Miss. Aries will heute nicht, immer wieder ändert sie mir den Kurs, egal wie sehr ich ihre Taue trimme. Irgendwann wird es mir zu bunt und ich übernehme. Erst im ersten Licht des Morgens sehe ich den Grund dafür, dass LA BELLE EPOQUE nicht Kurs halten will: Die Schot des Vorsegels hat sich um ein Stag verwickelt und bringt das Segel immer wieder aus dem Trimm. Ich fluche über mich selbst und bin dennoch froh über das Missgeschick. So konnte Miss. Aries unmöglich das Boot steuern und meine Sorge um ihre Gesundheit war unbegründet!

So sehr ich Dänemark liebe, die Ortschaften entlang der Nordostküste Jütlands verbergen im Herbst ein wenig ihren Charme und meine Schwärmerei von Dänemark stoßt bei Susanne und Michael bald auf leichtes Unverständnis. Mach nichts, wir kommen flott in den Süden und in der dänischen Südsee werden die beiden schon sehen.

Mit frischem Wind ziehen wir durch die Große Belt Brücke und tauchen in die Inselwelt. Wir wandern zu Fuß durch Svendborg und rauschen mit dem Boot bei unglaublicher Strömung durch den Sund. Unser Besuch der dänischen Südsee wird vom Wetter vereitelt. Steifer Winde pfeifen im Rigg und es ist nicht daran zu denken, das ankernde Boot alleine zu lassen. Sobald der Wind etwas ablauft, heben wir den Anker aus dem Grund und ziehen in den Flensburgsund. Schade, und ich wollte den beiden unbedingt die hübschen Inseln zeigen.

Bald ist die gemeinsame Zeit vorüber, doch bleiben wir nicht lange alleine. Jürgens Familie ist auf dem Weg nach Flensburg, um ihren Urlaub mit uns zu verbringen und uns anschließend nach Hause zu holen. Und so machen wir nach ein paar schönen Segeltagen im Fjord LA BELLE EPOQUE am Steg in Flensburg fest. Noch bevor wir LA BELLE für den Winter alleine lassen, taucht Andi von der SLISAND am Steg auf. Wir haben ihn vor vielen Jahren in Schweden kennengelernt, ohne es jemals geschafft zu haben, uns gegenüber zu stehen. Unser „Kennen“ beschränkt sich auf wenige e-Mails und Funkgespräche. Andi versichert uns, während unserer Abwesenheit hin und wieder ein Auge auf LA BELLE zu werfen und ich bin heil froh über seine Hilfe.

Dann ist unsere Zeit an Bord vorüber, die Arbeiten in Österreich überhäufen sich bereits. Mit gemischten Gefühlen lassen wir das Meer für einen weiteren Winter an Land hinter uns. Aber ganz so dramatisch wie letztes Jahr solls nicht werden. Immerhin haben wir den Steg nur bis März gezahlt und für die Zwischenzeit sind bereits die Pläne für Wintertörns geschmiedet. Wie gut es doch ist, das Schifferl leicht erreichbar zu wissen!

 

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