Wir waren gerade einmal 20 und 24 Jahre alt, als wir Ende der 90er Jahre gemeinsam zu unserer ersten, dreieinhalb Jahre dauernden, Segelreise aufgebrochen sind. Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon über ein Jahr gemeinsam auf Reise unterwegs und hatten einige Reiseerfahrungen vorab gesammelt: Wir waren in Europa per Motorrad unterwegs gewesen und sind anschließend nach Nordamerika geflogen, wo wir bald ein altes Wohnmobil kauften und von Mexiko bis Alaska reisten. Auch diverse andere Reisearten hatten wir vorab kennengelernt: Claudia per Bahn und Rucksack, Jürgen mit Motorrad und Kastenwagen.
Wovon wir keine Ahnung hatte, das war das Segeln selbst. Dennoch gefiel uns die Idee, über die Weltmeere reisen zu können, fremde Kontinente aus eigener Kraft zu erreichen und gleichzeitig ein kleines, schwimmendes Zuhause mit im Gepäck zu haben. Denn bei all unseren Reisen hatten wir gelernt: Um die Welt wirklich erleben zu können, benötigten wir viel Zeit, etwas Geld und vor allem eine kleines Zuhause, das uns einen Rückzug und Geborgenheit in der Fremde gibt.
Nach unseren Erfahrungen fällt für uns das Reisen mit dem Rucksack als Langzeitreise aus: Denn länger als ein paar Monate halten wir das Rucksackreisen nicht durch. Außerdem bleibt es uns in vielen Ländern zu teuer, auf Fluglinien, öffentliche Verkehrsmittel, Unterkünfte und Imbissbuden angewiesen zu sein.
Aber nicht nur die Kosten fürs tägliche Zimmer, für die Weiterreise oder für ein warmes Essen halten uns von langen Reisen per Rucksack ab. Denn das Leben aus dem Rucksack wird uns auch auf andere Weise anstrengend: In Backpack-Unterkünften, Motel-Zimmer und B&B´s fehlt irgendwann die Privatsphäre, das eigene Bett, die eigenen vier Wände. Die Möglichkeit, uns zurückziehen zu können. Wir vermissen unser selbst gekochtes Essen, unsere ruhigen Abendstunden oder unser Frühstück in Zweisamkeit.
Um wirklich einsame Plätze, ursprüngliche Regionen oder wilde Natur kennenlernen zu können, müssen wir Zelt und Schlafsäcke am Rücken mitschleppen, denn eines scheinen die Rucksacktouristen-Unterkünfte gemeinsam zu haben: Sie sind dort zu finden, wo es Aktivitäten und Angebote für Touristen gibt und nicht dort, wo einsame Natur zu finden ist.
Ein eigenes Fahrzeug ist zur Langzeitreise ein echtes Plus. Schon ein Fahrrad oder Motorrad gibt die Möglichkeit, wenigstens ein Zelt und einen Kochtopf mit dabei zu haben, ohne selbst zum Packesel zu werden. Und damit gibt selbst ein einspuriges Fahrzeug die Möglichkeit, von den Touristenströmen abzubiegen und eigene Wege zu finden.
Ein Kastenwagen oder Wohnmobil bietet noch ein wenig mehr, nämlich die eigenen vier Wände und damit ein klein wenig Privatsphäre. Doch haben wir bei unseren Reisen mit dem Wohnmobil auch Nachteile erlebt. Vor allem der Nachteil, in vielen Ländern außerhalb von Campingplätzen nicht besonders willkommen zu sein. Sich einfach in einer Nachbarschaft zu parken und sein Lager dort aufzuschlagen, wird vor allem in Städte kaum gerne gesehen und die Suche nach einem geeigneten Stellplatz hat manchmal viel zu viel Zeit beansprucht. Oft genug hat uns trotzdem mitten in der Nacht örtliche Polizei vertrieben oder wir mussten uns abends unbemerkt ins dunkle Wohnmobil „stehlen“, um den Eindruck zu bewahren, dass hier ein leeres Fahrzeug parkt. Desto größer ein Wohnmobil ist, desto schwieriger wird dabei die Stellplatzsuche.
Führt die Reise in unwegsame Gebiete, abseits von ausgebauten Straßen, stößt das Wohnmobil an seine Grenzen. Ein Expeditions-LKW, oder ein ausgerüsteter 4×4 wird nötig, um wirklich grenzenlos über Land zu reisen. Und was ein Expeditions-LKW an Land ist, das kann eine passende Segelyacht auf den Ozeanen der Welt sein: Ein Reisemobil, dessen Grenzen weit hinterm Horizont liegen, das ein Zuhause gibt und immer wieder lange Zeitspannen autarkes Reisen erlaubt. Ein Reisemobil, welche das Reisen zum Lebensstil werden lassen kann: denn ein Segelboot – und vor allem ein Segelboot mit Expeditionscharakter – gibt die Möglichkeit, über viele Jahre glücklich und permanent reisen zu können.
Doch es benötigt einiges an Vorbereitungen, um mit einem eigenen Segelboot aufbrechen zu können. Allem voran natürlich die Investition des eigenen Segelboots. Eine Investition, die sich stark nach den Bedürfnissen, dem Alter und den Erwartungen des Reisenden richtet. Denn eine kleine, 9 oder 10m lange Stahlyacht ist vollausgerüstet für lange Fahrt bereits um 10-20.000 Euro zu realisieren. In gutem Schuss gebracht kann mit einer solchen Segelyacht ohne Probleme eine mehrjährige oder unbegrenzte Reise unternommen werden. Und das beweisen Jahr für Jahr junge Segler, die mit ihren kleinen aber feinen Segelyachten rund um den Globus anzutreffen sind. Selbst in den wildesten Segelrevieren der Welt haben wir junge Segler – alleine, mit Partner oder Freunden – angetroffen, die mit kleinen, spartanisch ausgerüsteten Segelbooten, aber dafür mit einem hohen Maß an Seemannschaft und Eigenleistung auf wundervollen Reisen unterwegs waren.
Sollte die Fahrtenyacht größer und eventuell auch komfortabler ausgestattet sein, steigen die Kosten sprunghaft an. Für eine 13 bis 14 Meter langen Gebrauchtyacht für weltweite Fahrt sollte daher schon eher mit 100.000 Euro und mehr gerechnet werden. Zumindest, wenn es sich dabei um eine stabile und sichere Fahrtenyacht handeln soll.
Dann gilt es natürlich, das Segeln zu erlernen. Dabei spiel es weniger eine Rolle, sämtliche am Markt erhältliche Segelscheine zu erlangen. Unterwegs ist eigentlich nur ein Küstenpatent – und damit ein Befähigungsausweiß fürs Motorbootfahren – erforderlich, solange die Yacht einen Motor besitzt. Wie viel Geld in Segelkurse und Segelscheine investiert wird, das bleibt eine individuelle Angelegenheit. Gelernt werden muss allerdings neben dem Segeln selbst so einiges: von der Navigation über die Wetterkunde bis zur Proviantierung. Uns haben dabei vor allem Fachbücher und Berichte von Segelreisende geholfen. Und das gute alte „Learning by doning“.
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Und zu diesem „unterwegs Lernen“ kann es ungemein helfen, in einem Revier und zu einer Saison zu starten, in dem ein langsames Erlernen und Eingewöhnen am Boot möglich ist.
Nicht die sofortige Atlantiküberquerung nach Kauf des Segelboots macht einen Reisenden zum Fahrtensegler. Das Segeln entlang von Küsten hält durchaus mehr Herausforderungen bereit als eine Ozeanüberquerung entlang der tropischen Segelrouten.
Ein verhältnismäßig kleines und einfaches Revier gibt außerdem Zeit, erste Erfahrungen mit Seekrankheit zu überwinden, das Boot langsam auf den Ausrüstungsstand zu bringen, der für die Reise wirklich nötig ist, sich selbst in das Leben als „Cruiser“ und vor Anker einzugewöhnen und einen Überblick zu bekommen, wie viel Geld man selbst für diesen Lebensstil wirklich benötigt.
Den von vielen Seglern gut gemeinten Tipp, vorerst möglichst viele Charter-Segeltörns zu unternehmen, bevor das eigene Boot gekauft wird, können wir dabei nicht nachvollziehen. Hat doch eine Langzeitreise am eigenen Segelboot herzlich wenig mit einem Urlaubstörn mit Freunden zu tun. Genauso wenig, wie der gebuchter Urlaub in Tunesien, bei dem man sich ein Moped ausleiht, um eine Ortschaft zu erkunden und einen ansonsten langweiligen Tag im Hotel zu entgehen, mit einer mehrmonatigen Motorradreise durch Afrika zu tun hat. Und etwas überspitzt gesagt: Die gecharterte Segelyacht bleibt in der Regel genauso wenig vergleichbar mit einer echten Langfahrt-Segelyacht wie das besagte Moped mit der Reiseenduro.
Will man autark reisen lernen, sollte man von Anfang an darauf fokussieren, nicht wie ein Urlaubssegler von einem Hafenliegeplatz zum nächsten zu kutschieren oder dem Wetter und der daraus entstehenden Routenplanung nur einen kurzen Blick am Smartphone zu widmen. Auch an Europas Küste lässt sich in vielen Buchten wunderbar vor Anker leben. Selbst kurze Segeletappen können mit großflächigen Wetterkarten geplant werden und der Umgang mit Wetterempfang ohne Telefon und Internet kann erlernt werden. Die Erfahrungen, die dabei gesammelt werden, sind später an weit entfernten Küsten überlebenswichtig.
Auch ist es wichtig, während dieser ersten Reisen nicht durchgehend Freunde oder Segler mit an Bord zu nehmen. Auf allen Etappen der langen Reise auf Crew angewiesen zu sein, kann die Reise anstrengend und sogar gefährlich machen. Anstrengend, weil die eigene Privatsphäre unter der ständigen Anwesenheit von Freunden, Bekannten oder anderen Mitreisenden in Mitleidenschaft gerät. Gefährlich, weil mit Crew an Bord viel zu oft gebuchte Flugtermine die Planung der Segeletappen diktieren. Die oberste Regel beim Fahrtensegeln – das Wetter und die Natur bestimmen dein Vorankommen – werden dann oft genug nicht mehr beachtet.
Denn eine neue Erfahrung als angehender Langzeitsegler wird mit Sicherheit sein: Die Zeit entfaltet sich in einer neuen Dimension. Sind für einen Urlauber drei Wochen eine lange Zeit, so können dieselben drei Wochen für einen Langzeitsegler fast unbemerkt verstreichen. Spielt das Wetter nicht mit, kann eine Reise von wenigen hundert Seemeilen zum nächsten Hafen, um einen Flugtermin in wenigen Wochen zu erreichen, plötzlich zum Wettlauf gegen die Uhr werden. Verweilt die Yacht auf einem schönen Ankerplatz in der Südsee, kann ein Monat durchgehen, bevor sich die Crew entschließt, den Anker erneut an Deck zu hohlen.
Dieses neue Zeitgefühl lässt uns die Welt mit einer neuen Intensität erleben. So eigenartig das klingt, aber die Langsamkeit lässt keinen Platz für Langeweile. Die Notwendigkeit, unterhalten oder abgelenkt zu werden, verschwindet. Denn nach und nach füllt sich die Langsamkeit mit Erlebnissen, die in einer schnellen Welt unbemerkt an einem vorüber gleiten.
So gibt es keinen Langfahrtensegler, der nicht irgendwann von der Schönheit der Sternennacht am Ozean verzaubert wurde, sodass seine langen Wachstunden plötzlich wie im Flug vergingen. Der nicht über Stunden den Duft von Land genießen konnte, während er sich einer fremden Küste am Ende einer Ozeanpassage näherte.
Denn das Blauwassersegeln ist mehr als eine lange Reise. Es ist ein Lebensstil, der das Reisen damit verbindet, in der Welt zuhause zu sein.
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Toll geschrieben, wie immer.
Segeln ist nicht nur Sport, sondern ein Lebensstil.