Lebe lieber ungewöhnlich

Wie schön und unbeschwert kann doch das Leben sein! Klar, wird sich jetzt der eine oder andere denken, klar, die hat´s ja auch leicht, so zu denken und zu schreiben. Die hat ja auch das Glück gehabt, ein gemütliches und ungewöhnliches Leben führen zu können. Glückskind eben.

Das Glück, in einem Land aufgewachsen zu sein, in dem Wohlstand und Reichtum zuhause sind. Das Glück, von einer Familie erzogen worden zu sein, die Wert darauf gelegt hat, Phantasie und Träume zu unterstützen und auch noch stolz darauf war und ist, eigenständige Denker und Träumer in die Welt entlassen zu haben. Das Glück, einen Partner gefunden zu haben, der mit ihr durch Dick und Dünn geht und ganz nebenbei auch noch ähnliche Träume und Lebensphilosophien hegt. Das Glück, obendrein ein wenig Besitz zu haben und es sich so leisten können, immer wieder mal ein paar Jahre „blau“ zu machen und aus der Welt der Arbeiter und Angestellten zu flüchten. Ganz einfach gesagt das Glück, tun und lassen zu können, was sie gerade mal will.

Ja, schön, ist schon richtig, ich bin ja auch der Meinung, dass ich bisher viel Glück gehabt habe und das Leben sehr gut mit mir spielt. Aber so ganz will ich es nicht einsehen, dass es immer nur Glück sein kann, was unseren Lebensweg entscheidend beeinflusst und sich die Welt so einfach aufteilen lässt: in die Glücklichen und in die Restlichen.

Ich bin halt doch auch öfter mal in Versuchung, zu denken, dass viel „Unglück“ hausgemacht sein kann und selbst „Glück“ Entscheidungen und auch Geradlinigkeit (was mir nicht sehr liegt) und Verzicht (was mir egal ist) fordert.

Was ich damit meine? Hm, schwer zu beschreiben, aber ich will´s mal an meinem eigenen Beispiel zu erklären versuchen.

Ja, ich gehöre zu den glücklichen Seelen, die in einem, seit meiner Geburt, friedlichem und stabilen Land aufgewachsen sind. Echtes Glück in meinen Augen, da mir durchaus bewusst ist, dass es sehr vielen Menschen nicht so geht, ohne dass sie viel Chancen haben, daran etwas zu ändern.

Ja und nein, freilich bin ich in einer großen Familie aufgewachsen, die nicht nur Zeit für mich hatte, sonder die auch darauf geachtet hat, dass ich mich entfalten kann und die mir die Freiheit gegeben hat, mich Selbst zu finden. Ganz nebenbei hat mir meine Familie selbst vorgelebt, dass man seine Träume haben sollte und diese auch verwirklichen kann. Auch wenn da noch keinem Bewusst war, welche Träume in mir stecken und wie weit weg sie mich tragen könnten. Ganz klar, ich wurde dazu erzogen, einen sehr hohen Selbstwert zu haben und jede Bevormundung und Hierarchie abzulehnen, wobei ich auch noch von jeher Rückendenkung von meinen Eltern gegenüber Vorgesetzten genoss. Was klar dazu führen musste, dass wahrscheinlich einige meiner Lehrer mich als verschissenen und eigensinnigen Fratz empfunden haben. Dafür bin ich zwar heuten noch meinen Eltern dankbar, doch bin ich auch überzeugt, dass die Erziehung nicht für alles zur Verantwortung gezogen werden kann. Dazu kenne ich genug Menschen, die nach gänzlich anderen Maßstäben (oder vielleicht nach gar keinen Maßstäben) erzogen wurden und dennoch ihren Träumen folgen. Und ich meine nicht nur jene Freunde, die auf den sieben Weltmeeren herumsegeln.

Dass ich mich heute nach wie vor auf einen wunderbaren Partner stützen kann und eine Beziehung lebe, die mich trägt, umhüllt und gleichzeitig fliegen lässt, die in sich Liebe, Freundschaft und Seelenverwandtschaft vereint, mag für viele Glück sein, für mich ist sie jedoch viel mehr. Mehr Wert und auch mehr Energie. Denn diese Beziehung lebt nicht nur davon, dass wir uns vor einiger Zeit zufällig getroffen haben. Sie lebt vor allem davon, dass wir sie beide hegen und pflegen, dass sie uns das Wichtigste überhaupt ist und, schwer zu erklären, dass wir uns nicht gegenseitig die Flügel stutzen wollen. Vor allem glaube ich, dass wir es doch beide genießen, uns ebenbürtig zu sein und keiner unter dem Druck des anderen steht. Klar, so was muss man mögen und manchmal erleichtert es nicht gerade, aber dennoch ist es für uns der einzige Weg, nicht vom Gegenüber gelangweilt den Respekt zu verlieren. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Vor allem können wir so unverständliche Konventionen sprengen, die das Leben nur erschweren.

Zwar weiß ich nicht, ob jetzt durchgedrungen ist, was ich sagen will, aber sicher ist, unsere Beziehung ist keine reine Glücksache und unsere Träume und Lebensphilosophien entstehen und wachsen gemeinsam.

Das Glück, obendrein ein wenig Besitz zu haben und es sich leisten zu können, seinen Lebenswandel zu genießen, wird in der ersten und zweiten Welt fast immer ein wenig neidisch gesehen. Und wie oft habe ich in meinem kurzen Leben schon gehört:“Wenn ich im Lotto gewinnen würde, dann würde ich…“…

Ui, da wird’s für mich fast schwer, weiter zu schreiben, weil mich das Thema und die vorherrschenden Meinungen derart ankotzen!

Irgendwie geht’s doch immer darauf hinaus, was man daraus macht und wie man es anstellt. Auch wir leben nur von der Hand in den Mund, wenn ich auch nicht die Hand dazu verschwende, für einen Boss zu arbeiten, um mit ein paar Euro nach Hause zu kommen. Auch unser Besitz steht auf dem einen oder anderen wackeligen Bein und muss erst beweisen, dass alle Rechnungen aufgehen. Auch wir haben hart buckeln, kalkulieren und Risiken abschätzen müssen. Auch ich habe in keinem Lotto gewonnen (was auch gar nicht passieren kann, nachdem ich keinen Euro fürs Glückspiel übrig habe). Auch wir müssen überlegen und planen, was wir wollen und was wir einsparen können.

So, und nur so, können wir uns ein Leben abseits der ausgetretenen Pfade leisten. Kleine Beispiele, was ich meine?

Gut, leicht zu bringen: keine Versicherungen, keine Autos. Kein Telefon (ich würde es auch hassen), keine neue Elektronik (unser Laptop auf dem ich gerade schreibe ist mindestens 8 Jahre alt und wurde uns geschenkt). Keine Yachthäfen, liegen vor Anker ist umsonst. Kein Fleisch, Kauf und Aufbewahrung ist zu teuer. Vor drei Monaten haben wir das letzte Mal Münzwaschmaschinen genützt, seither Handwäsche. Fast tägliche Beeren-, Pilz- und Früchtesammlungen, die ich einkoche, entsafte, trockne und zubereite. Alle Reparaturen an Bord werden selbst gemacht, nur so bleibt Segeln leistbar.

Keine teuren Ausflüge, Eintritte, Konzerte oder Restaurantbesuche. Keine Heizung, nur weil´s einen Abend frisch an Bord ist. Erst wenn einige Lagen Fleece nicht mehr wärmen, reden wir über den Dieselofen. Apropos Fleece: keine teuren Hightech-Markenbekleidung.

Dafür ganz klar: ohne Lotteriegewinn auf große Fahrt ins selbstbestimmte Leben.

Und auch wenn’s jetzt schon fast so geklungen hat, als jammere ich über den einen oder anderen Verzicht in meinem Leben, weit daneben! Denn „Lebe lieber ungewöhnlich“ heißt für mich auch das Glück zu haben, leichter zu Leben und viel weniger Dinge zu benötigen, um glücklich zu sein!

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